Der in Syrien lebende französische Intellektuelle, Journalist und Autor Thierry Meyssan, Gründer und Vorsitzender des Voltaire Netzwerk und Organisator der Axis for Peace Friedenskonferenz sowie Professor für internationale Beziehungen im Zentrum für strategische Studien in Damaskus schreibt seit einigen Wochen einmal wöchentlich eine Rubrik für die Damaszener Zeitung Tishreen, in der er die politische Entwicklung in Syrien analysiert und kommentiert. Wir veröffentlichen diese Texte seit dem 1. August auf Deutsch. – Die Redaktion

Nach dem zweiten Russisch-Chinesischen Veto (4. Februar), das eine ausländische Intervention in Syrien verbot, hat der Westen vorgetäuscht, Frieden zu suchen, während er einen großen geheimen Krieg führte. Auf diplomatischer Ebene legte er den Lawrow-Annan-Plan vor, während er verdeckt Zehntausende von Söldnern herbeiführte und einige der Beobachter von den Vereinten Nationen Köpfe der FSA einschleusten, indem sie ihre Reise trotz Straßensperren organisierten.

Das Attentat, das das syrische Militär-Befehlskommando enthauptete (18. Juli), sollte den Contras das Tor nach Damaskus öffnen und damit dem Westen den "Regimewechsel" ermöglichen. Es war dem absolut nicht so. Indem er Konsequenzen aus diesem Fehlschlag zog, und trotz des dritten russischen und chinesischen Vetos, unternahm der Westen einen weiteren Schritt: statt eines "Regimewechsels" Chaos verbreiten. Um dies zu tun, sabotierte der Westen den Lawrow-Annan-Plan und kündigte seine Absicht an, Präsident Baschar Al-Assad zu ermorden.

Die Operation begann mit Indiskretionen in der Presse. Reuters, NBC, Le Parisien, Le Canard Enchaîné, The Sunday Times und Bild am Sonntag deckten auf, dass Barack Obama seit Monaten eine geheime militärische Einmischung genehmigt hatte, dass die Vereinigten Staaten, die Türkei, Frankreich, das Vereinigte Königreich und Deutschland in Übereinstimmung handelten, und dass dieser geheime Krieg vom Hauptquartier der NATO-Basis in Incirlik koordiniert wurde.

Sofort nach der Aufdeckung des US-Präsidentschafts-Befehls reichte Kofi Annan seinen Rücktritt ein. Es war vergeblich, einen Waffenstillstand im Namen des Sicherheitsrates zu verlangen, während Mitglieder des Rates behaupteten, Kriegstreiber zu sein. Der Sondergesandte der Generalsekretäre der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga sagte nun, es wäre für jedermann unmöglich, seine Mission fortzusetzen, da die Mission selbst, angesichts der "Uneinigkeit" des Rates, illusorisch wäre.

Trotzdem konnten die westlichen Länder auf die Generalsekretäre der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga zählen, um ihren imperialen Ambitionen den Anschein des Pazifismus und der Legalität zu verleihen. Sie haben daher einen neuen, besonderen gemeinsamen Repräsentanten, Lakhdar Brahimi ernannt. Nach der Ernennungserklärung hat Ban Ki Moon ihm nicht als Mission den vom Sicherheitsrat genehmigten Lawrow-Annan-Plan aufgetragen, sondern "seine Talente und außergewöhnliche Erfahrung" zu benützen, um Syrien "zu einem dem legitimen Wunsch des syrischen Volkes gemäßen politischen Übergang" zu führen.

Um zu verstehen was sich hier vorbereitet, reicht es zu wissen, was die "Talente und Erfahrungen" von Herrn Brahimi sind. Sohn eines Kollaborateurs der französischen Besatzung und kein Held der algerischen Unabhängigkeit, wie er es gerne mit einer Namens-Homonymie glauben macht - ist Lakhdar Brahimi einer der Schmeichler der "humanitären Einmischung", der politisch korrekte Ausdruck für Neo-Kolonialismus. Sein Name bleibt mit dem Bericht der Kommission für friedenserhaltende Operationen verbunden, deren Vorsitz er innehatte. Er wunderte sich nicht über die Abdrift, die die UNO dazu brachte, Interpositions-Kräfte zu schaffen, um politische Lösungen gegen die Meinung der Kriegsparteien aufzudrängen, anstatt für die Umsetzung der zwischen ihnen auf gerechte Weise vereinbarten Friedensabkommen zu wirken. Im Gegenteil, er befürwortete, diese globale Gouvernance auf eine Doktrin der Intervention und eines supranationalen Nachrichtendienstes zu stützen. So entstand der Dienst "Entscheidungsunterstützung". Nachträglich und ohne selbst den Sicherheitsrat zu informieren, unterzeichnete Ban Ki Moon ein Protokoll mit seinem Amtskollegen der NATO (23. September 2008), das diesen Dienst mit dem Atlantischen Bündnis verknüpft. Soviel zu seinem "Talent".

Was die "Erfahrung" von Herrn Brahimi betrifft, führte sie ihn dazu, das libanesische konfessionelle Regime (Abkommen von Taif) zu erfinden und das afghanische Narco-System (Bonn Agreement) zu errichten. Er versuchte auch an dem "Umbau" vom Irak teilzunehmen, d.h. an seiner Teilung in drei getrennte Staaten, darunter ein sunnitischer, in dem man die Haschemitische Monarchie wiederhergestellt hätte. Das Nützliche mit dem Angenehmen kombinierend, verheiratete er seine Tochter Rym (damals Journalistin bei CNN) mit Prinz Ali, so dass, falls der König würde, sie Königin von Irak würde. Aber sein Größenwahn stieß auf heftigen Widerstand der Baath-Partei und Washington gab das Projekt auf.

Dies ist noch nicht alles. Seine offiziellen Biographien vergessen zu berichten, dass der große "Demokrat" Lakhdar Brahimi eins der zehn Mitglieder des obersten Sicherheitsrates war, der in Algier den Putsch von 1992 verübt hatte, die Wahlen für null erklärte, Präsident Bendjedid zum Rücktritt zwang und die "Jänner“-Generäle an die Macht brachte. Es folgte ein Bürgerkrieg – ein Modell, das Washington heute in Syrien anwenden möchte - wo beide Seiten von den Vereinigten Staaten manipuliert wurden. Während dieser Zeit nahm der Anführer der Islamisten, Abbassi Madani (heute nach Katar geflohen), zum politischen Berater den pseudo-weltlichen Burhan Ghalioun (künftiger Präsident des syrischen National-Rates). Die bewaffnete islamistische Partei GSPC (2007 umbenannt zu "Al Qaeda im islamischen Maghreb“) wurde mit dem Waffenumgang gemeinsam mit der "islamischen Kämpfer Gruppe in Libyen“ (seit 1997 umbenannt in "Al-Qaida in Libyen“) ausgebildet; die meisten der Kämpfer der beiden Gruppen sind nun in die "Freie syrische Armee" (FSA) übernommen worden.

Es ist in diesem Zusammenhang interessant, dass der französische Minister für auswärtige Angelegenheiten, Laurent Fabius, die französischen hinteren Basen in den Grenzstaaten von Syrien kontrollierte. Als er in Jordanien war, sagte er: "Ich bin mir der Stärke dessen bewusst, was ich jetzt sage: Herr Baschar Al-Assad würde nicht verdienen, auf der Erde zu sein." Ohne den Daumen in Richtung Boden zu wenden, ist Fabius Imperator daher vom "Baschar muss raus!" zum "Baschar muss sterben!" übergegangen.

Der Westen hat eine Botschaft für Moskau und Peking. Er wird nicht nachgeben. Er wird mit allen Mitteln bis zum Ende gehen. (PK)

Übersetzung
Horst Frohlich
Quelle
Neue Rheinische Zeitung (Deutschland)

http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=18158