La Nouvelle République : Sie waren in Syrien. Welchen Bestand haben Sie gemacht? Entspricht die Realität auf Ort den von den westlichen Medien verbreiteten Äußerungen? Massive Demonstrationen, Schüsse mit scharfer Munition die mindestens 5000 Tote verursacht haben, die Errichtung einer schon 1500 Mann starken Freien Syrischen Armee,
und dieser Anfang eines „Bürgerkrieges“ mit 1,5 Millionen Syriern, die in dieser Falle Hunger leiden?

Thierry Meyssan: Eine französische Redewendung behauptet, dass „wenn man seinen Hund ertränken will, man ihn der Tollwut anklagt“. Im vorliegenden Fall sagen die westlichen
Medien, wenn ihre Mächte in einen Staat einmarschieren wollen, dass es sich um einen
barbarische Diktatur handelt, dass ihre Armee die Zivilbevölkerung beschützen kann und dass
sie das Regime stürzen und Demokratie bringen müssen. Die Wahrheit haben wir im Irak und
Libyen gesehen: die Kolonialmächte kümmern sich nicht im Geringsten um das Schicksal
der Bevölkerung, sondern verheeren das Land und plündern es. Es gab niemals Massen
Demonstrationen gegen das syrische Regime, und deshalb war es auch nicht möglich sie mit
scharfen Schüssen aufzureiben. Es kam in den letzten Monaten zu ungefähr 1500 Toten, aber
absolut nicht so wie es geschildert wurde. Es gibt wohl eine „freie syrische Armee“, aber
sie ist in der Türkei und im Libanon zu Hause, und hat höchstens einige hundert Soldaten,
die man den TV-Kameras vorstellt. Zu letzt ist Syrien, was Nahrungsmittel betrifft, autark
und trotz Lieferungsschwierigkeiten gibt es keine Knappheit. Die westliche Medienversion
ist eine reine Fiktion. Die Wahrheit vor Ort ist, dass der Westen einen nichtkonventionellen
Krieg gegen Syrien führt. Er hat arabische und Paschtunkämpfer geschickt, von Prinz Bandar
Bin Sultan angeheuert und von den französischen und deutschen Spezialtruppen ausgebildet.
Diese Kämpfer haben zuerst versucht, ein islamisches Emirat auszurufen, dann weitgängige
Fallen gegen syrische Militärkonvois eingeleitet. Heute werden sie von einem Al-Qaida Emir,
dem libyschen Abdelhakim Belhaj, kommandiert. Sie haben auf große Operationen verzichtet
und führen Kommandoaktionen im Zentrum von Städten, um dort Terror auszulösen, mit der
Hoffnung einen religiösen Bürgerkrieg anzustacheln. Ihre letzte Heldentat ist dieses doppelte
Attentat in Damaskus.

La Nouvelle République: In einem Ihrer Artikel stellen Sie Sich die Frage über die, vom
syrischen Observatorium(in London basiert) der Menschenrechte gelieferten Informationen:
wie kommt es, dass Institutionen wie das Hohe Kommissariat der Menschenrechte der UNO
diese einfach übernehmen ohne sie zu prüfen. Ihrer Meinung nach, welchem Spiel widmen
sich die UNO Institutionen?

Thierry Meyssan: Das syrische Observatorium der Menschen-Rechte (SOMR) ist plötzlich
auf der Medienebene aufgetaucht. Dieser Verein hat keine Vergangenheit, auf die er sich
berufen könnte, und nur eines ihrer Mitglieder ist bekannt. Es ist ein Kader der syrischen
Muslimbrüderschaft, besitzt drei Passe, einen syrischen, einen britischen und einen aus
Schweden. Dieser Herr verkündigt jeden Tag die Anzahl der „Opfer der Unterdrückung“,
ohne seine Aussagen zu begründen. Seine Behauptungen sind unüberprüfbar und daher ohne
Wert. Sie werden trotzdem von allen jenen übernommen, denen sie nützlich sind. Das Hohe
Kommissariat der Menschenrechte hat drei Kommissare für die Forschung über die
Syrienereignisse beauftragt. Ihre Mission überschreitet die Kompetenzen der UNO, welche
regelmäßige Inspektionen vorsieht, die Syrien, den Abkommen entsprechend, empfängt. Wie
in Sachen Hariri (Libanon) gehen die Vereinten Nationen vom Prinzip aus, dass die örtlichen
Obrigkeiten (libanesischen oder syrischen) unfähig oder unehrlich sind und dass man sie
durch ausländische Fahnder ersetzen muss. Daher können sie nicht ganz einfach Kooperation
der lokalen Macht erwarten. So haben sie einfach von der Schweiz und der Türkei aus
gearbeitet. Die Entsendung der drei Kommissare liefert keine Garantie für Unabhängigkeit.
Sie kommen alle drei aus Ländern, die sich für die militärische Intervention in Syrien erklärt
haben. Ihre Methode ist auch nicht akzeptierbar: unter dem Druck der türkischen
Kommissarin, die eine engagierte Aktivistin im Kampf gegen Gewalttaten an Frauen ist, hat
die Kommission es für überflüssig gehalten, die Zeugenaussagen zu überschneiden und zu
prüfen: es wäre die Sache der Angeklagten ihre Unschuld zu beweisen, wenn man sie vor
Gericht stellte. Diese Art von Inquisition macht es möglich, jedermann für jegliche Schuld
anzuklagen, aber beweist überhaupt nichts. Die Fahnder haben mehr als 200 Leute abgehört,
die vorgeben, dass sie über Informationen verfügen und die behaupten, manchmal Zeuge,
oder selbst Opfer von Ausschreitungen gewesen zu sein. Gemäß der Prozedur bleibt der
Name der Zeugen in diesem Stand der Fahndung geheim. Aber der Prozedur nicht
entsprechend bleiben die Namen der Opfer hier auch geheim. Die Hohe Kommissarin
versichert mit lehrerhaftem Ton, dass die Unterdrückung mehr als 5000 Opfer gefordert hat,
aber sie zitiert nur zwei Namen. Wirklich kein Glück, weil die beiden Fälle sehr ausführlich
von Al-Dschasira erörtert wurden und Objekt von vielfachen Studien waren. Der Erste betrifft
ein Kind, das auf der Strasse von unbekannten Schützen aus einem Wagen getötet wurde; der
Zweite betrifft einen jungen Mann, der von einer bewaffneten Bande angeheuert wurde, um
an einem Angriff gegen eine Militär Residenz teilzunehmen und der mit einer Kalaschnikoff
in der Hand, gefallen ist. Das hat also nichts mit Repression einer pazifistischen Demonstration zu tun. Wir erwarten daher von der Hohen Kommissarin, dass sie die Namen
der Opfer freigibt, damit wir die Richtigkeit der Anschuldigungen überprüfen können.
Zahlreiche Instanzen der UNO haben ihre Glaubwürdigkeit verloren. Zum Ersten sollte man
nicht erlauben, die Verantwortung Experten anzuvertrauen, die nicht den Status von
internationalen Beamten haben, die aber nur nationale, von ihrem Land beauftragte Beamten
sind. Man sollte nicht im Namen der UNO handeln können, wenn man gezwungen ist, seiner
nationalen Hierarchie zu gehorchen.

La Nouvelle République: In Syrien sowie in Libyen behaupten gewisse Beobachter, dass die
Rebellen in Wirklichkeit Mordgeschwader, ausländische Söldner sind. Was können Sie dazu
sagen?

Thierry Meyssan: In beiden Fällen nehmen inländische Leute am Kampf teil, aber sie sind
in Minderheit, verglichen mit den ausländischen Kämpfern. In Libyen haben sich Gruppen
aus gewissen Stämmen den fremdländischen Söldnern für die Sezession der Cyrenaika
angeschlossen. Aber sie haben sich geweigert in Tripolitanien zu kämpfen, um Kadhafi zu
stürzen. Es war nötig Al-Qaida Truppen zu entfalten, dann 5000 Kommandos, der regulären
Armee des Katar eingegliedert, an den Strand zu bringen, um die Schlacht am Festland zu
liefern. In den letzten Tagen der Jamahiriya ist der Stamm von Misrata den NATO Kräften
gefolgt und in Tripolis eingedrungen, als die Bombardierungen und die Schlacht zu Ende
war. Die einzigen Libyer, die vom Anfang bis zum Ende gegen das Regime gekämpft haben,
sind jene von Al-Qaida und eine Soldatengruppe, die mit General Abdel Fatah Younes
abtrünnig geworden sind. Nun war General Younes in der Vergangenheit von Oberst Kadhafi
beauftragt worden, die Al-Qaida Rebellen zu bekämpfen. Das ist der Grund, warum seine
Alliierten von Al-Qaida ihn ermordet haben, um sich sofort zu rächen, als sie ihn nicht
mehr brauchten. In Syrien gibt es Aufständische, es sind die Muslimbrüderschaften und
die Takfiristen. Es gibt hauptsächlich ausländische Kräfte, die Gauner engagieren und sie
reichlich für Zivilistenmorde bezahlen. Das Problem der NATO ist, zum Unterschied von
Libyen, dass Syrien eine historische Nation ist. Es gibt keine regionale Spaltung wie zwischen
der Cyrenaika und Tripolitanien. Die einzige mögliche Spaltung existiert auf religiösem
Grund, aber sie funktioniert derzeit nicht, obwohl man einige solche Konfrontationen wie in
Banyias und Homs erlebt hat. Die offizielle Ankunft der Libyer, um ein Hauptquartier in der
Türkei aufzubauen und syrische Deserteure in diese Struktur einzugliedern, vervollständigt
das ganze Unternehmen.

La Nouvelle République: Der nationale syrische Rat hat sich unter Frankreichs Obhut
in Paris gebildet. Was kann man darüber sagen? Wird Frankreich wie in Libyen mit
seinem „Gesandten“ BHL (Bernard Henry Levy v.Ü.) erste Geige spielen, oder mit einer
anderen Strategie kommen?

Thierry Meyssan: Zuerst sieht man leicht, dass die französischen Institutionen zum Teil
von illegitimen Leuten wie Bernard Henry Levy geführt werden, welche Verantwortungen
ohne Recht und ohne Titel übernehmen. Dann dienen gewisse gewählte Personen, wie
Präsident Sarkozy nicht nationalen Interessen, sondern jenen des imperialen US-Systems.
Unter deren Obrigkeit hat sich Frankreich schon in einem Konflikt in der Elfenbeinküste
engagiert, um das neo-konservative Projekt einer Neuformung des „Erweiterten Mittleren
Orient“ auf Nordafrika auszudehnen. Frankreich hat keine Streitsachen mit Syrien mehr, wie
es der Besuch von Präsident el-Assad in Paris, zum Anlass des Mittelmeergipfels gezeigt
hat. Man könnte höchstens meinen, dass der alte Konflikt der 80er Jahre (speziell der Mord
des französischen Botschafters in Beirut) getilgt wurde aber ohne Entschädigung, und man
ihn eventuell reaktivieren könnte. Aber ich bin nicht sicher, ob in dieser Angelegenheit das
französische Verschulden nicht größer war als das der Syrier. Kurzum, Paris hat keinen Grund Damaskus anzugreifen. Wir wissen alle genau, dass die wahre Geschichte woanders
liegt: die Dominanz und die Ausbeutung dieser Gegend hängen von dem Bündnis der USA
und Israel einerseits, mit der Türkei und den Ölmonarchien andererseits ab. Dieses Bündnis
stößt auf eine Widerstands-Achse, welche aus Hamas, dem Libanon, Syrien, Irak und Iran
gebildet und von Russland und China unterstützt wird. Auf regionaler Ebene haben sich zwei
Pole gebildet, der eine ausschließlich sunnitische, der andere multi-konfessionelle (und nicht
schiitisch, wie es die Neo-Konservativen behaupten um die Fitna aufzudrängen). Frankreich
ist Handlanger der USA geworden. Es kann Syrien zu jeder Zeit Krieg erklären. Jedoch hat es
allein nicht das Vermögen dafür, selbst auch nicht mit Hilfe Großbritanniens. Und der Gipfel
vom 2. Dezember, der ein Dreierbündnis mit Deutschland schaffen sollte, wurde wegen
Finanzschwierigkeiten abgeblasen. Inmitten der Euro-Krise haben die Europäer nicht die
Mittel ihres Imperialismus.

La Nouvelle République: Die arabische Liga hat in einer unerwarteten Art beschlossen,
Syrien aus allen Institutionen auszuschließen, und zwar, bevor noch die, der syrischen
Führung anerkannte Frist von 15 Tagen, um den arabischen Schlichtungsplan der Krise
zu entfalten, abgelaufen war. Wie kann man diesen Beschluss betrachten, der den Regeln
der Liga widerspricht, weil Einstimmigkeit mit höchstens einer Gegenstimme in solchen
Angelegenheiten verlangt wird?

Thierry Meyssan: Die internationalen Organisationen, ob es sich um die arabische Liga oder
die UNO handelt, gehören nicht den Mitgliedstaaten, aber jenen die sie finanzieren. Die Liga
ist ein Spielzeug in den Händen der Ölmonarchien geworden. Leute die nicht einmal eine
Verfassung besitzen, denken nicht daran, die Statuten der Organisationen, die sie gekauft
haben, zu beachten. Über diese Feststellung hinaus, ist die Beschlussfassung durch die Liga,
Syrien wirtschaftlich zu belagern, nicht eine Sanktion für einen begangenen Fehler, sondern
der Anfang eines konventionellen Krieges.

La Nouvelle République: Das gleiche Szenario bildet sich, wie in Libyen. Werden wir die
gleichen Zwischenfälle in Syrien erleben, oder sind die Umstände anders, oder werden wir es
mit einer anderen Lage zu tun haben?

Thierry Meyssan: Die Umstände und die Akteure sind anders. Libyen ist ein isolierter
Staat. Oberst Gaddafi hat viel Hoffnung erregt und viel enttäuscht. Er war Anti-Imperialist,
aber hatte viele geheime Abkommen mit den USA und Israel. Er war der Alliierte von allen
und hat jeden vernachlässigt oder gar verraten. Sein Land kannte keine Diplomatie, keine
Allianzpolitik, abgesehen von der Investitionspolitik für die Entwicklung von Afrika. Libyen
stand deshalb isoliert gegenüber der NATO. Im Gegenteil ist Syrien eine alte Nation, die
immer Bündnisse geschmiedet hat, selbst in seiner Wahl des Widerstandes an Seiten der
Palästinenser, der Libanesen, Iraker und Iraner. Seine Diplomatie ist so stark, dass sie in
wenigen Tagen das doppelte russische und chinesische Veto im Sicherheitsrat bekommen
konnte. Jeglicher Krieg gegen Syrien wird sich auf die ganze Region verbreiten, oder selbst
in einen Weltkrieg ausarten, falls der Iran und Russland direkt eingreifen. Die Libyer sind
noch dazu nur 5 Millionen, während Syrien 23 Millionen Einwohner hat. Libyen hatte außer
dem Tschadkrieg keine militärische Erfahrung, während Syrien seit 60 Jahren gewohnt
ist, in einer kriegsträchtigen Region zu leben. Die Experten der kriegerischen Lobby aus
Washington behaupten, dass die syrische Armee schlecht ausgerüstet und schlecht trainiert
sei. Sie versprechen, dass eine internationale Intervention eine Gesundheitspromenade sein
wird. Das ist lustig, da dieselben Experten in 2006 behaupteten, dass Israel einen neuen Krieg
gegen Syrien vermeiden sollte, weil Syrien zu gefährlich wäre.

La Nouvelle République: Manche Leute meinen, dass das, was in Syrien passiert, nur eine
Verlängerung der „arabischen Frühlinge“ sei, während Syrien seit der Bush-Ära auf der amerikanischen Agenda steht, laut der Erklärungen von General Wesley Clark; was glauben
Sie, welcher Ausweg existiert für Bachar Al-Assad, um die Konspiration zu umgehen?

Thierry Meyssan: Wie Sie uns daran erinnern, wurde der Beschluss Syrien anzugreifen,
in einer Versammlung in Camp David am 15. September 2001 getroffen, gerade nach den
Attentaten in New York und Washington. Die Bush Regierung hatte eine Reihe von Kriegen
geplant: Afghanistan und Irak, Libyen und Syrien, Sudan und Somalia, um mit dem Iran
zu schließen. Im Jahr 2003, kurz nach dem Fall von Bagdad hat der Kongress den Syrian
Acountability Act verabschiedet, der den US-Präsidenten beauftragt, Syrien so schnell wie
möglich Krieg zu erklären. Was Präsident Bush aus Zeitmangel nicht machen konnte, soll
sein Nachfolger Barack Obama nun ausführen. Der General Wesley Clark hat diese Strategie
schon vor vielen Jahren freigegeben, um sich gegen sie besser zu wehren. Er hat eine sehr
wichtige Rolle im Libyenkrieg gespielt, den er verzweifelt versucht hat, mit Hilfe von
zahlreichen Aktivgenerälen zu stoppen. Alle diese Leute verkörpern eine Strömung höherer
Offiziere, die sich weigern, ihre Soldaten in Auslandsabenteuern sterben zu lassen, die nicht
den Interessen der USA dienen, sondern nur einigen Israel nahestehenden Ideologen. Sie
werden alles in Gang setzen, um den Krieg in Syrien zu verhindern und besitzen mehr Hebel
als man glaubt, um die Weltpolitik zu beeinflussen. Präsident Bachar Al-Assad ist nicht
wie sein Vater. Er ist kein Autokrat. Er regiert mit einer Mannschaft. Die Strategie seiner
Regierung besteht einerseits darin, den zivilen Frieden gegen die Destabilisierungsversuche
und konfessionelle Spaltungen zu schützen und andererseits die Bündnisse zu stärken, speziell
mit Iran, Russland und China.

La Nouvelle République: Eine Erkenntnis, die sich uns in den Wirren der arabischen Welt
aufdrängt, sei es in Tunesien, Ägypten, Libyen und jetzt in Syrien, ist diese „Versöhnung“ des
Westens mit den islamistischen Strömungen, die er doch bekämpft hatte. Was sind die Gründe
und Ziele dieses neuen Spieles des Westens Ihrer Meinung nach?

Thierry Meyssan: Ich glaube nicht, dass die Islamisten jemals als Feinde des Westens
betrachtet wurden. Wenn man die Geschichte studiert, sieht man, dass alle Imperien sie
benützt haben, um den nationalen Widerstand zu zügeln. Es war der Fall für die Ottomanen,
der Franzosen und der Engländer. Erinnern Sie Sich, wie Frankreich niemals das Gesetz der
Trennung zwischen Kirche und Staat (1905) in Algerien angewendet hat. Es hat im Gegenteil
die Moscheen gefördert, um seine Autorität durchzusetzen. Die Angel-Sachsen haben es
ebenfalls so gemacht. Noch mehr haben die USA islamistische Bewegungen in den 80er
Jahren mit der Hoffnung kreiert, einen Zivilisationskonflikt zwischen der Muslimwelt und
der Sowjetunion zu provozieren. Es war die Strategie von Bernard Lewis, die von Zbigniew
Brzezinski angewendet, und die von Samuel Huntington für das allgemeine Publikum zur
Theorie gemacht wurde. Das hat Al-Qaida gegeben. Diese Leute haben die Interessen des US-
Imperiums in Afghanistan, Jugoslawien, in Tschetschenien und in neuerer Zeit in Irak, Libyen
und jetzt in Syrien verteidigt. Abdelhakim Belhaj, den Ayman Al-Zawahiri zu Nummer 3
von Al-Qaida ernannt hat, als die islamische Gruppe de Kämpfer in Libyen von Al-Qaida
absorbiert wurde, ist heute Militärgouverneur von Tripolis und Kommandant der freien
syrischen Armee. Er gibt sich ohne Komplex als Mann der NATO aus und verlangt vom
MI6, der ihn gefoltert hatte, dass er ihm Rechenschaft ablege. Was die Muslimbrüder betrifft,
welche Washington heute in Tunis, in Libyen und Ägypten an die Macht bringt und die er in
Syrien installieren will, sind sie geschichtlich mit dem MI6 verbunden. Sie waren von Hassan
Al-Banna konzipiert um die Engländer zu bekämpfen, aber sie wurden von den Engländern
benützt um Nasser zu bekämpfen. Heute sind sie mit Geldsubventionen vom GCC (Golf
Cooperation Counsil) überhäuft, was kein Zeichen von Unabhängigkeit ist.

La Nouvelle République: Wenn morgen das Bachar Al-Assad Regime fallen sollte, was wären die Folgen für die Widerstandsachse Teheran-Hezbollah-Hamas?

Thierry Meyssan: Die USA machen kein Geheimnis daraus, falls es ihnen gelingen sollte
Syrien zu zerstören – ich sage „Syrien zu zerstören“ – weil die Frage des Widerstandes weit
über die Person von Präsident el-Assad hinweggeht – würden sie den Krieg fortsetzen und
sofort den Iran angreifen. Daher würde der Fall Syriens eine Periode mit großer Instabilität
einleiten, die in einen Weltkonflikt entarten könnte.

La Nouvelle République: In dem syrischen Konflikt hat die Türkei Partei ergriffen und
die Thesen der syrischen, pro-westlichen Opposition vollkommen übernommen. Indem die
Türkei bereit ist, das syrische Regime zu verbannen, Syrien darzustellen, als würde es
sein eigenes Volk töten, die Demonstrationen zur Unterstützung des syrischen Präsidenten
nicht zuzugeben, die Dimension der bewaffneten Protestbewegung zu bestreiten und es bis
zur Negierung der Bürgerwahlrechte der inneren Opposition und ihrer parlamentarischen
Repräsentanzmöglichkeit zu treiben, und sie nur dem syrischen National Rat zuzuerkennen,
wie können Sie diesen Umschwung der Türkei erklären?

Thierry Meyssan: Wir hatten alle vergessen, dass die Türkei NATO Mitglied ist. Das
türkische Heer ist eine amerikanische Hilfstruppe. In der Vergangenheit war es dieses,
welches die USA in Korea gerettet hatte. Die Türkei beherbergt US-Basen und hat gerade
eingestimmt, dass das Pentagon seine derzeit in Spanien liegenden NATO-Stützpunkte in die
Türkei übersiedelt, und neue Radarstationen, die den Iran überwachen sollten, dort aufbaut.
Seit einem Jahrhundert begehen die türkischen Leader laufend politische Fehler. Erdogan
hofft der Gendarm der Region zu werden, wie es vor ihm der Schah Reza Pahlavi und
Saddam Hussein gemacht haben. Die Geschichte hat gezeigt wie die USA jene behandeln die
ihnen dienen: sie benützen sie und eliminieren sie später.

Chérif Abdedaïm

Übersetzung
Horst Frohlich

titre documents joints