Meinungsforscher waren über der Leistung von Marine Le Pen im ersten Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahlen am 23. April 2012 überrascht. In der Tat brachte sie auf ihren Namen 6 421 773 Stimmen, das beste Wahlergebnis, das je von dem „Front National“ erreicht wurde.

Auf der einen Seite betrachten die Medien die Wandlung dieser Partei als eine rein kosmetische und bleiben dabei, sie als extrem Rechte zu qualifizieren, und andererseits versichern sie, dass ihre Wähler dazu neigen werden, sich in der Stichwahl in einer Weise, etwa halb auf die linke und halb auf die rechte Seite zu verteilen, wie es einer wirklichen Republikanischen Partei entspricht.

Es scheint, dass der FN seit Mitte der 1980er-Jahre stetige Fortschritte macht, trotz eines Unfalls: Sein Rückgang in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl 2007 wird durch die Flucht eines Teils seiner Wählerschaft zu Nicolas Sarkozy erklärt. Zu Recht erschien der damalige Innenminister in der Lage zu sein, die Macht zu übernehmen, und vielleicht auch die FN-Ansprüche zu erfüllen. Jedoch wurden diese Wähler sofort enttäuscht und lenkten sich von ihm ab. Sie stimmten an diesem Sonntag massiv für Marine Le Pen. Wenn die Analyse der Meinungsforscher und der Medien richtig ist, werden diese Wähler ihre Stimmen Nicolas Sarkozy in der Stichwahl geben, die er dann gewinnen kann. (diese Bedingung ist notwendig, aber nicht ausreichend). Aber wenn sie sich irren, und die Wandlung des FN, von einer revanchistischen Weltkriegs-Verlierer Partei und Opfer der Kolonialkriege in eine gegen die herrschende Oligarchie kämpfende Partei, Tatsache ist, wie von Le Pen Vater und Tochter behauptet wird, dann werden diese Stimmen Nicolas Sarkozy zum Sieg fehlen.

Marine Le Pen hat im Wahlkampf der ersten Runde zwischen zwei Reden geschwankt. Auf der einen Seite verteidigt sie die Unabhängigkeit des Landes, auf der anderen, verteidigt sie eine chauvinistische Konzeption seiner Identität. Viele der Bürger, die in dem 2005- Referendum im Zusammenhang mit der Europäischen Verfassung „Nein“ gestimmt hatten, sind der Auffassung, dass der aktuelle FN eine verwässerte Version der gestrigen fremdenfeindlich-gestimmten Partei ist und haben gegen ihn gewählt, und besonders für den „Front de Gauche“ von Jean-Luc Mélenchon ; doch das Reservoir der „Nein“ Stimmen war beträchtlich, da es 15 449 508 Stimmen ausmachte.

Das Verhalten der FN-Wähler in der zweiten Runde wird erlauben zu erfahren, ob diese Partei nur ein gelegentlicher Katalysator für eine Protestwahl ist oder ob sie tatsächlich eine Kraft gegen das vorherrschende System geworden ist, wie es Marine Le Pen Sonntagabend behauptete.

Übersetzung
Horst Frohlich