Es ist sehr beunruhigend für den Geist, eine Nation wie Indien zu sehen, möglicherweise eines der größten Schwellenländer der Welt, das sich selbst systematisch zerstört. Einen neuen Krieg mit China anzuzetteln, für ein wenig Land in den Höhen des Himalaya, wo die Grenzen der chinesischen autonomen Region Tibet mit der indischen und der vom Königreich Bhutan konvergieren, ist nur das jüngste Beispiel. Die Frage ist, wer oder was das große Ziel hinter dieser in- und ausländischen Politik von Indiens Narendra Modi ist. Hat Modi nun die Seite gewechselt? Und wenn ja, um sich wessen Partei anzuschließen?

Eurasische Harmonie?

Nur ein Jahr zuvor schien alles noch ruhig, zumindest die friedlichen Entwicklungen im asiatischen Raum schienen auf gutem Weg, einschließlich in Bezug auf China und selbst ohne Vorsicht, auch auf Pakistan.

Im vergangenen Jahr wurde Indien tatsächlich neben Pakistan als Mitglied der bedeutungsgewinnenden Organisation für Zusammenarbeit von Shanghai (OZS) aufgenommen, von der China neben Russland ein Gründungsmitglied ist. Dies machte wachsende Hoffnungen für ein gemeinsames Format, mit dem die OZS eine friedliche Lösung der immer brodelnden Grenz-Spannungen erlauben würde, die durch die britische Teilung Indiens im Jahr 1947 geschaffen wurden: zwischen einem überwiegend muslimischen Pakistan und einem mehrheitlich hinduistischen Indien, die viele Reibungsbereiche ungelöst gelassen hatte, einschließlich von Kaschmir und die von dem verschmitzten Vicomte Mountbatten als zukünftige Punkte möglicher Explosionen hinterlassen wurden.

Indien und China sind Mitglieder der BRIC-Staaten, die nun eine neue Entwicklungsbank in Shanghai geschaffen haben, dessen Präsident ein Inder ist. Indien ist auch Mitglied der asiatischen Infrastruktur-Investment-Bank mit Sitz in China. Und bis Premier-Minister Narendra Modi dann am 14. Mai die Teilnahme seines Landes an der Konferenz von Peking über die Seidenstraße (China One Belt, One Road) absagte, hatte Indien auch an dem riesigen eurasischen Infrastrukturprojekt teilgenommen.

Der Boykott der Seidenstraße durch Indien und der "Korridor der Freiheit von Japan"

Wie schnell die Dinge sich doch verändert haben! Modi hat seine Weigerung zur Beteiligung an der Konferenz der Seidenstraße angekündigt, und nannte als Grund die chinesischen Investitionen in dem wirtschaftlichen China-Pakistan Korridor (China-Pakistan Economic Corridor — CPEC): eine Hafen-, Bahn- und Autobahn-Infrastrukturentwicklung von schätzungsweise $ 62 Milliarden, zwischen China und Pakistan, als Teil der Seidenstraße, die durch den pakistanischen Teil Kaschmirs geht.

Anschließend stellte Indien mit überraschender Eile während dem Treffen der Afrikanischen Entwicklungsbank (BAD) im indischen Bundesstaat Gujarat, im Rahmen eines gemeinsamen Projekts mit dem Premierminister von Japan, Shinzō Abe, ein zukunftsweisendes Dokument für einen neuen "Asien-Afrika-Wachstums-Korridor" vor (Asia-Africa Growth Corridor — AAGC). Dieser indisch-japanische AAG Korridor ist ein expliziter Teil dessen, was der "Indien-Pazifik Freiheits-Korridor" genannt (Indo-Pacific Freedom Corridor — IPFC) wird, der gerade von Indien und Japan umgesetzt wird, um die Seidenstraße zu kontern, indem japanisches Geld und die bereits etablierte indische Anwesenheit in Afrika dazu benutzt wird [1].

Unter Premierminister Abe begann Japan eine immer aggressivere anti-chinesische Agenda, einschließlich des Kampfes um die Inseln Diaoyu - "Senkaku-Inseln" von Japan genannt - in im Ostchinesischen Meer. Im gleichen Sinne hat sich Japan für die Installation des amerikanischen anti-Raketen Verteidigungssystems ausgesprochen, und gilt unter Abe als der stärkste militärische Verbündete der Vereinigten Staaten in Asien. Als Abe im Februar (2017) Trump traf, bekräftigte der US-Präsident die Bedingungen des Vertrags von gegenseitiger Verteidigung zwischen den Vereinigten Staaten und Japan, und machte klar, dass dieser Vertrag sich auch auf diese umstrittenen Inseln bezog, obwohl sie seitens China oder Japan gleichfalls als steril gelten.

Modi in Washington und Tel-Aviv

Wochen später, am 27. Juni, traf sich der Indische Premier mit dem US-Präsidenten in Washington. Am Vortag, sehr bequem, hat das State Department Mohammad Yusuf Schah und seine separatistische islamistische Terrorgruppe in Kaschmir, basierend in Pakistan, die Hizb-Ul-Mudschaheddin, auf die offizielle Liste der " speziell bezeichnete globale Terroristen" (Specially Designated Global Terrorist — SDGT) gesetzt. Dieser Ansatz ist besonders fähig, US-Sanktionen gegen Pakistan zu ermöglichen [2].

Nach den Gesprächen zwischen Modi und Trump gaben die Vereinigten Staaten ihre Zustimmung für den Verkauf an Indien von 22 Guardian Drohnen als "wichtigsten Vorteil" (game-changer), und zwar in Höhe von etwa $ 3 Milliarden. Weitere Elemente sind militärische Zusammenarbeit und die Zustimmung von Indien zum Kauf von verflüssigtem US-Schiefergas. Modi schien mit den Gesprächen in Washington so zufrieden, dass er die Tochter des Präsidenten, Ivanka Trump, einlud, um dem globalen Gipfel des Unternehmertums (Global Entrepreneurship Summit — GES) vorzusitzen, der noch in diesem Jahr in Indien später stattfinden wird [3].

Gekrönt mit seinem klaren politischen Erfolg in Washington, flog der indische Premierminister dann nach Israel, am 7. Juli, für ein beispielloses Treffen zwischen einem Chef der Regierung von Indien und seinem israelischen Amtskollegen. Die Gespräche zwischen Benjamin Netanyahu und Narendra Modi wurden in den indischen Medien, als eine Hauptverschiebung der indischen Außenpolitik, mit Beifall bedacht.

Da ist es, wo die Dinge ernsthaft interessant werden. Es gab eine geheime Zusammenarbeit einschließlich der guten Dienste des israelischen Geheimdienstes Mossad, zu Gunsten des indischen Geheimdienstes, des Research and Analysis Wing (R&AW). Im Jahr 2008 enthüllte zum Beispiel der israelische Botschafter in Indien, Mark Sofer, dass der israelische Geheimdienst der indischen Armee wichtige Satelliten Bilder während des Krieges in Kargil 1999 gegen Pakistan zur Verfügung gestellt hatte; es waren Informationen, die Indien erlaubten, genau die Positionen der Pakistanischen Truppen zu bombardieren, welche Positionen im indischen Bundesstaat Jammu und Kaschmir einnahmen [4].

Die dubiose Rolle von Adschit Doval

Der Besuch von Modi in Tel Aviv im Juli 2017 war seit Monaten in Vorbereitung. Bereits Ende Februar hatte Modi seinen nationalen Sicherheitsberater Adschit Doval nach Tel Aviv gesendet, um die Einzelheiten dieser Reise zu besprechen. Dort traf Doval Yosef Cohen, den aktuellen Chef des Mossad, um unter anderem über die angebliche Unterstützung von Pakistan durch China, sowie von anderen Staaten zu Gunsten der Taliban in Afghanistan, an der afghanisch-pakistanischen Grenze, zu diskutieren.

Doval ist kein Gefühlsmensch. Es ist der Autor der gleichnamigen Lehre, entsprechend einer neuen Bewegung der indischen Sicherheits-Politik in Bezug auf Pakistan, in der er eine "defensive" Logik in eine neue, "offensive und defensive" verschiebt. Doval wäre hinter den sogenannten chirurgischen Schlägen von Indien gegen Pakistan im September 2016, sowie hinter dem Anstieg der pro-Indischen Militanten im pakistanischen Kaschmir.

Wie eine indische Blog kürzlich geschrieben hat, ziele die in seinen Reden der Jahre 2014 und 2015 formulierte "Doval-Doktrin", nach seiner Ernennung zum Berater für nationale Sicherheit von Modi, hauptsächlich auf China und Pakistan, und bestehe aus drei Elementen:
 der Irrelevanz der Moral,
 der Irrelevanz des von jeder Berechnung oder Kalibrierung freien Extremismus,
 und das Vertrauen auf das Militär.
Natürlich scheint Doval sehr wenig von diplomatischen Lösungen zu halten [5].

Was auch immer privat zwischen Modi und Washington im Juni beschlossen wurde, sowie mit Tel Aviv Anfang Juli, war es zu dieser Zeit, dass der so genannte Doklam Streit, der durch die Entscheidung von Indien, Truppen zu schicken, um durch militärisches Eingreifen gegen chinesische Baumannschaften im sensiblen Grenzgebiet zwischen China, Bhutan und Indien auf der tibetischen Hochebene vorzugehen, ausbrach.

China seinerseits zitiert einen Brief vom ehemaligen indischen Premierminister Jawaharlal Nehru an seinen chinesischen Amtskollegen Chu-en-Lai im Jahr 1959: "dieses Übereinkommen aus dem Jahr 1890 definiert auch die Grenze zwischen Sikkim und Tibet, und die Grenze wurde später im Jahre 1895 abgegrenzt. Deshalb gibt es keinen Streit über die Abgrenzung zwischen Sikkim und Tibet", schloss der Brief. China zitiert auch dazu einen Brief vom 10. Mai 2006, neben der Konvention aus dem Jahr 1890 und dem Briefwechsel aus den Jahren 1959 und 60, wonach "beide Parteien einverstanden [wären], was die Ausrichtung der Grenze in Sikkim betrifft". China proklamierte schließlich öffentlich, dass es den laufenden Straßenbau mitgeteilt habe, durch eine Notiz die seinen guten Willen bezeugt [6].

An dieser Stelle ist das eigentliche Problem nicht so sehr die Gültigkeit oder die nicht-Gültigkeit der chinesischen Argumente aus der Sicht des Völkerrechts. Aber alles, was diesen jüngsten Doklam-Vorfall zwischen China und Indien umgibt, lässt die dunkle Hand von Washington und Tel Aviv ahnen, so als ob im Bund mit der Modi-Regierung, um die Konfrontation dazu zu verwenden, um den Fortschritt des riesigen chinesischen Projektes "der Seidenstraße" zu sabotieren, indem versucht wird, einen neuen Krieg durch einen Bevollmächtigten auf Veranlassung der Vereinigten Staaten zu beginnen.

Diese Eskalierung im Streit um Doklam hätte nie eine Eskalierung an der militärischen Front gebraucht. Dies war eine bewusste Entscheidung der Modi Regierung und trägt eindeutig die Fingerabdrücke von Adschit Doval, dem nationalen Sicherheitsberater von Modi und ehemaligen Leiter des indischen Geheimdienstes.

Hätte Narendra Modi in der Tat die Seiten gewechselt? Von einer echten Unterstützung zur friedlichen Beilegung der Grenzstreitigkeiten zwischen Indien und Pakistan auf der einen Seite, zwischen Indien und China auf der anderen Seite, in einem Geist des guten Willens und Zusammenarbeit innerhalb der Shanghai Cooperation Organization, ist Narendra Modi nicht eher solch ein Janus, am Ende dieser Loyalitäten seit Beginn seiner Amtszeit als Premierminister (2014), um sich als eine Art anglo-amerikanisches-israelisches Trojanisches Pferd zu entpuppen, das geschickt wurde, um die Förderung einer neuen wirtschaftlichen eurasischen Seidenstraße durch China zu sabotieren?

Die Antwort ist dem Autor noch nicht genau bekannt. Allerdings teilte mir eine bei indischen Streitkräften gut platzierte indische Quelle in einem privaten Briefwechsel mit, dass kurz nach der Wahl von Trumpf im November des vergangenen Jahres, ein Senior US-Berater im ersten Kreis des Trump Geheimdienstes unverblümt gesagt habe, dass anstelle eines Krieges zwischen den USA und China es eher ein Krieg zwischen Indien und China über den Himalaja geben würde. Es war im November letzten Jahres. Zu diesem Zeitpunkt war der Doklam ganz ruhig.

Übersetzung
Horst Frohlich
Quelle
New Eastern Outlook (Russland)

[1In Welcoming Shinzo Abe, Trump Affirms U.S. Commitment to Defending Japan”, Julie Hirschfeld & Peter Baker, The New York Times, February 10, 2017.

[2Sanctioning Syed Salahuddin: Too Little, Too Late”, Sudha Ramachandran, Terrorism Monitor Volume: 15 Issue: 15, Jamestown Foundation, July 28, 2017.

[3Top 10 takeaways from Modi’s U.S. visit”, The Hindu, June 27, 2017.

[4Deadly Impasse: Kashmir and Inda-Pakistani Relations at the Dawn of a New Century, Sumit Ganguly, Cambridge University Press, 2016.

[5What is the Doval doctrine?”, Ankith Bp, Quora, September 19, 2016.

[6New Aftergrowth in India, China Doklam Dispute”, Sputnik, August 3, 2017.