Überzeugt, dass die Unterstützung der Vereinigten Staaten wichtiger ist, als die Stimmen seiner Landsleute, hat sich Juan Guaidó selbst zum Übergangs-Präsidenten von Venezuela proklamiert.

Einen Konflikt schaffen

Im Laufe der vergangenen Monate ist es den Vereinigten Staaten gelungen, eine Viertel der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen davon zu überzeugen - einschließlich 19 Staaten von Amerika - das Ergebnis der venezolanischen Präsidentschaftswahlen vom Mai 2018 nicht anzuerkennen. Daher erkennen sie die Legitimität der zweiten Amtszeit des Präsidenten Nicolas Maduro auch nicht an.

In einem Interview mit dem Sunday Telegraph vom 21. Dezember 2018 erklärt der britische Verteidigungsminister, Gavin Williamson, dass sein Land die Installation einer permanenten Militärbasis in Guyana aushandeln wird, um die [imperiale] Politik vor der Suez-Krise wieder aufzunehmen. Noch am selben Tag bewirkt ein Mitglied des Guyanischen Parlaments in überraschender Weise den Sturz der Regierung seines Landes, und flüchtet dann nach Kanada. Am nächsten Tag behauptet Exxon-Mobil, dass ein von ihm gechartertes Schiff, um eine Öl-Exploration in der Gegend zwischen Guyana und Venezuela durchzuführen, von der venezolanischen Marine verjagt worden sei. Diese Expedition war von der scheidenden Regierung von Guyana, die das umstrittene Gebiet de facto verwaltet, genehmigt worden. Sofort warnen das US-Außenministerium und die Lima-Gruppe vor der Gefahr, die Venezuela für die regionale Sicherheit darstellt. Präsident Nicolas Maduro enthüllt jedoch am 9. Januar 2019 Audio- und Videoaufnahmen, die zeigen, dass Exxon-Mobil und das State-Department absichtlich gelogen haben, um eine Konflikt-Situation zu schaffen und die lateinamerikanischen Staaten dazu aufzuwiegeln, sich gegenseitig Krieg zu liefern. Die Mitglieder der Lima-Gruppe geben die Manipulation dann zu, außer Paraguay und Kanada.

Am 5. Januar 2019 wählt die Nationalversammlung von Venezuela ihren neuen Präsidenten Juan Guaidó, und verweigert die Rechtmäßigkeit der Wiederwahl von Präsident Nicolas Maduro. Die Idee wird dann verbreitet, dass die Situation mit der Verhinderung eines Präsidenten wegen Krankheit vergleichbar sei, so wie sie in Artikel 233 der Verfassung vorgesehen ist. In diesem Fall (aber nicht in dem derzeitigen) übernimmt der Präsident der Nationalversammlung den Übergang.

Am 23. Januar 2019 organisieren die Anti- und Pro-Maduro zwei gleichzeitige Demonstrationen in Caracas. Bei dieser Gelegenheit erklärt sich Juan Guaidó als Übergangs-Präsident und schwört den Eid für diese Funktion. Die Vereinigten Staaten, Kanada, Großbritannien und Israel anerkennen sofort den neuen Präsidenten von Venezuela. Spanien, das schon Staatsstreiche gegen Hugo Chávez unternommen hat, drängt die Europäische Union der Bewegung zu folgen.

Die Logik der Ereignisse hat Venezuela dahin geführt, seine diplomatischen Beziehungen mit den Vereinigten Staaten abzubrechen und seine Botschaft in Washington zu schließen. Aber da die USA den Staatsstreich von Juan Guaido unterstützen, anerkennen sie nicht diesen Bruch und behalten ihre Botschaften in Caracas offen, von der sie weiterhin dort Öl ins Feuer schütten werden.

Am 24. Januar erschien der Verteidigungsminister, General Vladimir Padrino, im Fernsehen, umgeben von allen Mitgliedern des Oberkommandos, um das Engagement der Armee zu bekräftigen, der Nation und dem verfassungsmäßig gewählten Präsidenten Nicolas Maduro zu dienen. Nachdem er dies erklärt hatte, bat er ihn, den Dialog mit der Pro-US-Opposition fortzusetzen. Die Armee ist die einzig wirksame Verwaltung, auf der das Land beruht.

Ein schon erprobtes Schema anwenden

In der gegenwärtigen Situation befindet sich Venezuela mit einem verfassungsmäßig gewählten Präsidenten und einem selbsternannten Übergangs-Präsidenten.

Im Gegensatz zu dem, was sich die Venezolaner im Allgemeinen vorstellen, ist das Ziel der Vereinigten Staaten nicht, Nicolas Maduro zu stürzen, sondern dem karibischen Becken die Rumsfeld-Cebrowski Doktrin der Zerstörung der Staatsstrukturen aufzuerlegen. Es bedeutet natürlich am Ende nicht nur Nicolas Maduro zu beseitigen, sondern auch Juan Guaidó.

Das aktuelle Schema wurde schon ausprobiert, um Syrien von einer internen Unruhe (in 2011) in eine Aggression durch eine Söldnerarmee (2014) zu hetzen. Die Rolle der Arabischen Liga wird von der Organisation der amerikanischen Staaten (OAS) gespielt, deren Generalsekretär den Präsidenten Juan Guaidó bereits anerkannt hat. Die Rolle der Freunde Syriens wird von der Lima-Gruppe gespielt, die die diplomatischen Positionen der Verbündeten von Washington koordiniert. Die Rolle des Führers der Opposition, Burhan Ghaliun, wird von Juan Guaidó gespielt.

In Syrien ist der langjährige NED-Mitarbeiter, Burhan Ghaliun, von Anderen ersetzt worden, dann noch von Anderen, bis zu einem Grad, dass jedermann seinen Namen jetzt vergessen hat. Es ist wahrscheinlich, dass Juan Guaidó gleichfalls geopfert werden wird.

Aber das syrische Modell hat nur teilweise funktioniert, vor allem, weil Russland und China sich im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ihm wiederholt widersetzt haben. Zweitens, weil das syrische Volk sich nach und nach der Arabischen Republik Syrien angenähert hat und außergewöhnliche Widerstandsfähigkeit gezeigt hat. Schließlich, weil die russische Armee die syrische Armee gegen die ausländischen Söldner und die NATO, die sie betreute, ausgestattet und unterstützt hat. Da Präsident Trump weiß, dass das Pentagon die Dschihadisten nicht mehr verwenden kann, um den syrischen Staat zu schwächen, wird er die Folge der Ereignisse in den Händen des Finanzministeriums lassen. Dieses wird alles tun, um den Wiederaufbau des Landes und den Staat zu verhindern.

In den kommenden Monaten wird der selbsternannte Übergangs-Präsident Juan Guaidó eine parallele Verwaltung erstellen.
 um das Geld vom Öl in laufenden Rechtsstreitigkeiten einzukassieren;
 um die territorialen Streitigkeiten mit Guyana zu lösen;
 um die Rechtsstellung der Flüchtlinge zu verhandeln;
 um mit Washington zu kooperieren und die venezolanischen Staats-und Regierungschefs unter verschiedenen rechtlichen Vorwänden in den Vereinigten Staaten einsperren zu lassen.

Wenn wir die Erfahrungen im Erweiterten Nahen Osten in den letzten acht Jahren bedenken, dürfen wir die aktuellen Ereignisse in Venezuela nicht wie die von Chile in 1973 interpretieren. Die Welt nach dem Zerfall der UdSSR ist nicht mehr die des Kalten Krieges.

Damals wollten die Vereinigten Staaten ganz Amerika kontrollieren und jeglichen sowjetischen Einfluss dort ausschließen. Sie wollten die natürlichen Ressourcen dieser Region mit der geringst möglichen nationalen Kontrolle ausbeuten und zu den niedrigsten Kosten.

Im Gegenteil, heute bestehen die Vereinigten Staaten darauf, die Welt als eine unipolare zu denken. Sie haben also keine Verbündeten und keine Feinde mehr. Für sie ist eine Bevölkerung entweder in der globalisierten Wirtschaft integriert, oder lebt in Gebieten mit natürlichen Ressourcen, welche die USA nicht unbedingt ausbeuten wollen, aber die sie immer kontrollieren müssen. Aber da diese natürlichen Ressourcen nicht zugleich von Nationalstaaten und vom Pentagon kontrolliert werden können, müssen die staatlichen Strukturen dieser Regionen unwirksam gemacht werden.

Diese Karte kommt aus einem PowerPoint-Dokument von Thomas P. M. Barnett, Assistent von Admiral Arthur Cebrowski, während einer Konferenz im Pentagon im Jahr 2003. Sie zeigt alle Staaten (rosa Zone), die zerstört werden müssen. Dieses Projekt hat nichts mit dem kalten Krieg oder der Ausbeutung von natürlichen Ressourcen zu tun. Nach dem "Erweiterten Nahen Osten" bereiten sich die US-Strategen vor, das „Karibik-Becken“ in Schutt und Asche zu legen.

Die Akteure verblenden

Wenn man denkt, dass Juan Guaidó glaubt, die Krise zu lösen und durch die Selbsternennung zum Übergangs-Präsident seinem Land zu dienen, ist es das Gegenteil, was er tatsächlich tut. Seine Aktion verursacht eine Situation, die einem Bürgerkrieg gleichkommen wird. Er oder seine Nachfolger werden ihre lateinamerikanischen Brüder zur Rettung rufen. Brasilien, Guyana und Kolumbien werden Friedens-Kräfte entfalten, die von Israel, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten unterstützt werden. Die Unruhen werden andauern, bis ganze Städte in Schutt und Asche gelegt sind. Egal, ob die venezolanische Regierung Bolivarisch oder Liberal, ob sie anti- oder pro-US ist. Das Ziel ist nicht sie zu ersetzen, sondern den Staat dauerhaft zu schwächen. Dieser Prozess beginnt in Venezuela und wird auch in anderen Ländern des Karibik-Beckens weitergehen, zuerst in Nicaragua, bis es in der gesamten Region keine wirkliche politische Macht mehr gibt.

Diese Situation ist für viele Araber, die in die gleiche Falle geraten sind und die alle, das eine oder andere Mal, zusammengebrochen sind, vollkommen klar. Sie ist es aber derzeit nicht für die Lateinamerikaner.

Natürlich ist es für die Venezolaner immer noch möglich, trotz ihres Stolzes die Manipulation der sie unterliegen, zu erkennen, indem sie ihre Spaltungen überwinden und ihr Land retten.

Übersetzung
Horst Frohlich
Quelle
Amerika21.de (Deutschland)