Nikolai Bordjuscha, Generalsekretär der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit.

Die militärische Lage in Syrien hat sich zu Ungunsten derjenigen geändert, die in Washington und Brüssel hofften, einen gewaltsamen Regimewechsel zu bewirken. Die zwei aufeinander folgenden Versuche von Damaskus sind gescheitert, und es ist jetzt klar, dass dieses Ziel nicht erreicht werden kann.

Am 18. Juli enthauptete ein Bombenattentat den nationalen Sicherheitsrat und gab das Signal für einen Großangriff von Zehntausenden von Söldnern, die aus Jordanien, Libanon, Türkei und Irak auf die Hauptstadt zuströmten. Nach ein paar Tagen erbitterter Schlacht wurde Damaskus gerettet, da der gegenüber der Regierung feindlich gesinnte Anteil der Bevölkerung aus Patriotismus beschlossen hatte, anstatt die „freie syrische“ Armee (FSA), die nationale Armee zu unterstützen.

Am 26. September drangen Dschihadisten von Al-Qaida, als syrische Soldaten verkleidet und mit falschen Papieren ausgestattet, in das Verteidigungsministerium ein. Sie wollten ihre mit Sprengstoff geladenen Gürtel im Büro des Generalstabs zünden, aber waren nicht nah genug an ihr Ziel gekommen, und wurden vorher erschossen. Ein zweites Team sollte das nationale Fernsehen einnehmen und dem Präsidenten ein Ultimatum stellen, aber es konnte sich dem Gebäude nicht nähern, weil der Zugang innerhalb von Minuten nach dem ersten Angriff verriegelt worden war. Eine dritte Mannschaft steuerte auf den Sitz der Regierung zu und eine vierte sollte den Flughafen angreifen.

In beiden Fällen hoffte die NATO, die die Operationen von der türkischen Basis von Incirlik koordiniert, eine Spaltung in der syrischen arabischen Armee zu bewirken und auf einige abtrünnige Generäle gestützt, das Regime zu stürzen. Aber die in Frage kommenden Generäle waren schon seit langer Zeit als Verräter identifiziert und jeglichen effektiven Kommandos enthoben worden. Es hat sich nichts Sinnvolles daraus ergeben und die syrische Macht ging aus diesen zwei misslungenen Anschlägen gestärkt hervor. Sie fand die notwendige innere Legitimität, um zur Offensive anzutreten und die FSA schnell niederzumachen.

Diese Fehlschläge haben denen, die sich im Voraus so brüsteten, dass Baschar Al-Assads Tage gezählt wären, ihren Hochmut genommen. Daher sind in Washington die Unterstützer des Abzugs derzeit dabei sich durchzusetzen. Die Frage ist nicht mehr, wie lange das Regime Baschar noch halten wird, sondern ob es für die USA teurer ist, diesen Krieg fortzusetzen oder ihn zu stoppen. Ihn weiterführen, würde den wirtschaftlichen Zusammenbruch Jordaniens mit sich bringen, seine Verbündeten im Libanon opfern, einen Bürgerkrieg in der Türkei riskieren und die Verpflichtung nach sich ziehen, Israel vor dem Chaos zu schützen. Den Kampf einstellen, ließe die Russen wieder im Nahen Osten Fuß fassen und würde die Achse des Widerstands zu Ungunsten der expansionistischen Träume des Likud stärken.

Jedoch wenn Washingtons Reaktion den israelischen Parameter berücksichtigt, beachtet sie nicht mehr die Meinung der Netanjahu-Regierung. Dieser hatte schließlich viel Ärger hervorgerufen, sowohl wegen seiner Manipulationen hinter der Ermordung von Botschafter Chris Stevens und wegen seiner unglaublichen Einmischung in die US-Wahl-Kampagne. Schließlich ist die russische Präsenz, wenn man den Langzeit-Schutz von Israel und nicht die extravaganten Forderungen von Benjamin Netanyahu in Betracht zieht, die beste Lösung. Mit 1 Million russischsprachigen Israelis wird Moskau nie zulassen, das Überleben dieser Kolonie zu gefährden.

Hier ist ein Rückblick notwendig. Der Krieg gegen Syrien wurde von der Bush-Regierung bei einem Treffen in Camp David am 15. September 2001 beschlossen, wie es vor allem General Wesley Clark bestätigt hat. Nach mehrmaligem Aufschub musste die NATO-Aktion wegen der russischen und chinesischen Vetos abgesagt werden. Ein "Ersatz-Plan" wurde dann aktiviert: Söldner und geheime Aktionen einsetzen, da die Bereitstellung von uniformierten Soldaten unmöglich geworden war. Jedoch, da die FSA keinen einzigen Sieg gegen die syrische arabische Armee erzielen konnte, haben viele vorausgesagt, dass der Konflikt endlos wäre und schrittweise die Staaten der Region, einschließlich Israel, untergraben würde. In diesem Zusammenhang schloss Washington am 30. Juni ein Abkommen mit Russland in Genf unter der Leitung von Kofi Annan.

Das kriegerische Lager hat jedoch diese Vereinbarung durch Indiskretionen in der Presse über das Geheimnis des westlichen Engagements in dem Konflikt zu Nichte gemacht; Indiskretionen, die Kofi Annan zum sofortigen Rücktritt gezwungen haben. Dieses Lager hat seine zwei Trümpfe am 18. Juli und 26. September ausgespielt, und hat verloren. Daher wurde Lakhdar Brahimi, Annans Nachfolger, gebeten, das Genfer Abkommen wieder zu aktivieren und es in die Tat umzusetzen.

In der Zwischenzeit war Russland nicht inaktiv. Es erhielt die Schaffung eines syrischen Ministeriums der nationalen Versöhnung, es überwachte und beschützte das Treffen in Damaskus der nationalen Oppositionsparteien, es hat Kontakte zwischen den US- und syrischen Hauptquartieren organisiert und den Einsatz einer Friedenstruppe vorbereitet. Die beiden ersten Schritte wurden von der westlichen Presse leichtfertig unterschätzt und die letzten beiden wurden geradezu ignoriert.

Dennoch hat Russland, wie der russische Außenminister Sergej Lawrow zugab, auf die Befürchtungen des US-Generalstabs über syrische Chemiewaffen reagiert. Es konnte sicherstellen, dass diese Waffen an genügend sicheren Orten gespeichert wurden, um nicht in die Hände der FSA zu fallen, von Dschihadisten unterschlagen und von ihnen blind verwendet zu werden, außer im Fall eines Regimewechsels. Russland konnte dem Pentagon also glaubwürdige Garantien geben, dass die Aufrechterhaltung der Macht eines Führers wie Baschar Al-Assad, dessen Temperament Beherrschung bewiesen hat, eine überschaubarere Situation sei, selbst für Israel, als die Erweiterung des Chaos auf Syrien.

Wladimir Putin beschleunigte vor allem die Projekte der Organisation von dem Vertrag für kollektive Sicherheit (OVKS), die defensive Anti-NATO Allianz, zu der Armenien, Belarus, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und natürlich Russland gehören. Die OVKS -Außenminister haben einen gemeinsamen Standpunkt über Syrien ausgearbeitet. Logistik für eine mögliche Bereitstellung von 50.000 Männern wurde vorbereitet. Ein Abkommen zwischen der OVKS und der Friedenssicherungs-Abteilung der Vereinten Nationen wurde getroffen, um die Möglichkeit zu schaffen, „blaue Pelzmützen“ in Konfliktgebieten unter dem Mandat des Sicherheitsrats zu entfalten. Und gemeinsame UNO/ OVKS Manöver werden im Oktober in Kasachstan unter dem Titel "Unantastbare Bruderschaft" stattfinden, um die Koordinierung zwischen den beiden zwischenstaatlichen Organisationen zu finalisieren.

Während des Präsidentschaftswahlkampfs könnte keine einzige offizielle Entscheidung durch die Vereinigten Staaten getroffen werden. Sobald er beendet ist, wird Frieden möglich werden.

Übersetzung
Horst Frohlich
Quelle
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