Von Claude Beaulieu und Geneviève Blache, Mitglieder des Management Komitee Valmy*

Die Lage in Syrien ergibt sich hauptsächlich aus äußeren Aggressionen

Syrien ist in latentem Kriegszustand mit Israel und den Vereinigten Staaten seit Jahrzehnten.

Die paroxysmale heutige, durch die amerikanische Führung auferlegte Krise, erreicht ein seltenes Niveau von Zynismus in der Barbarei und dem Raub der internationalen Legalität in der langen Folge von Einmischung, Aggressionen und ununterbrochenen Kriegen, vor allem seit dem Ende des zweiten Weltkriegs.

Diese ständige Missachtung des Völkerrechts und der Charta der Vereinten Nationen führte die amerikanischen Führer dazu, die Sitten und diplomatischen Regeln der Beziehungen zwischen souveränen Staaten, welche die Zivilisation über Jahrhunderte historisch aufgebaut hat, immer weniger zu berücksichtigen. Diese Wahl des Dschungel-Gesetzes in geopolitischen Fragen wird uneingeschränkt zugelassen und von ihren westlichen Vasallen kopiert, unter denen Sarkozy, Fabius, Hollande und Juppé heute die eifrigsten sind.

Diese konkrete Realität, die sich im Laufe der Jahre verschlechtert und die kein Antiimperialist ignorieren kann, zwang das souveräne Syrien, eine starke, staatliche, zweifellos unvollkommene und nicht frei von Mängeln befindliche Macht aufzubauen, die ihm aber erlaubte, heute das einzige wirklich unabhängige, säkulare, arabische Land im Nahen Osten zu sein und zu bleiben, welches dem euro-atlantischen, zionistischen und dem okzidentalen Vandalismus standhält, der in Symbiose mit dem radikalsten retrograden Islam Mord begeht.

Die Unterwerfung oder den Abbau ihres Landes verweigernd, führt die antiimperialistische Regierung der Arabischen Republik Syrien und ihr Volk, das sie meist aktiv unterstützt, heute einen erbitterten Kampf, in dem sie einem von außen angezettelten Aggressionskrieg hartnäckig widerstehen. Seit langer Zeit von verschiedenen US-Regierungen geplant und vorbereitet, wird er von einer Allianz geführt, die die vereinten Kräfte westlicher und zionistischer Barbarei mit jener der wahhabitischen, salafistischen und takfiristischen Dschihad-Söldner kombiniert.

In diesem Angriff ist das spezifische Gewicht der Kollaborateure der "freien Syrischen Armee" sekundär im Vergleich zu den terroristischen Banden aus dem Ausland. Sie erscheinen als eine Hilfs-Kraft, deren Aufgabe es ist, eine Lokalfarbe vorzugeben und für eine äußere Intervention als syrisches Alibi zu dienen.

Trotz des Gewichtes der euro-atlantischen Einmischung und der Unmenschlichkeit dieses Aggressions-Krieges, finanziert durch Milliarden aus dem Katar und Saudi-Arabien, trotz des bezahlten Verrats oder der teilweisen Besetzung des Staatsgebiets durch Israel, das Anspruch auf die Golanhöhen erhebt, haben die Syrer, von ihrer rechtmäßigen Regierung geführt, einen schwierigen Prozess der Demokratisierung ihrer Gesellschaft eingeleitet, in Verbindung mit der Widerstandsentwicklung für Unabhängigkeit, Souveränität, Säkularismus und die Verweigerung eines Religions-Bürgerkrieges.

Seit fast zwei Jahren sind wir Zeuge der Suche nach einer systematischen Intensivierung der Souveränität des Volkes in Syrien, im Gegensatz zu dem, was in Frankreich und in all den anderen vasallischen Ländern der Euro-Diktatur vorgeht, in denen die Finanz-Oligarchien die Nationalstaaten, die Demokratie und Souveränität der Völker zerstören, indem sie ihnen eine soziale Regression aufzwingen, die sie kontinuierlich verschärfen.

In seiner Rede vor der Volksversammlung am 30. März 2011 hat Präsident Baschar Al-Assad eine Bereitschaft zur Reform ausgedrückt, welche er seither nicht aufgehört hat, in Etappen weiterzubringen, trotz der Hindernisse, die der Kontext des Krieges unweigerlich in dem komplexen Feld der Entwicklung demokratischer Freiheiten mit sich bringt.

Patriotischer Widerstand von einem demokratischen Reformprozess begleitet

Anzumerken sind besonders die folgenden Schritte:

 Im Juli 2011 hat das syrische Parlament den politischen Pluralismus gegründet und die Existenz von Oppositionsparteien rechtlich gemacht, unter der Leitung von Beamten, von denen einige in anderen Zeiten inhaftiert wurden.
 Am 26. Februar 2012 wurde eine neue syrische Verfassung per Referendum mit 89,4 % „Ja“ und bei einer Wahl-Beteiligung von 57,4 % adoptiert, trotz der durch Massaker, Angriffe und Terrordrohungen geprägten Lage. Diese Verfassung, welche die Abschaffung der autoritären, seit einem halben Jahrhundert an der Macht stehenden Herrschaft der Baath-Partei beschloss, war von Assad gewollt. Er hat sich eindeutig vorgenommen, das politische System zu entwickeln, von dem er versucht sich zu distanzieren, zugunsten der Förderung einer großen patriotischen Kundgebung, die dem Krieg ein Ende setzen und die angekündigte Reform vertiefen soll.
 Am 7. Mai 2012 fanden Parlamentswahlen statt. Sie hatten eine Beteiligung von 51,36 % gegeben, eine bedeutende Zahl, angesichts der schwierigen Lage. Wenn auch der „Block der nationalen Einheit“, der Präsident Bachar al-Assad unterstützt, die Wahlen gewonnen hat, sei darauf hingewiesen, dass auch Mitglieder der demokratischen Opposition gewählt wurden, was einen bedeutenden Fortschritt darstellt, von dem erwartet wird, dass er Folgen haben wird.
 Am 23. Juni 2012 bildete sich eine neue Regierung in Syrien, in der zwei Mitglieder der loyalen Opposition der Nation integriert wurden: Qadri Jamil und Ali Heidar, welche die, im Juli 2011 erstellte Volksfront für Veränderung und Befreiung leiten; (diese Bewegung vereinigt Kommunisten und progressive Patrioten, beteiligte sich an den Wahlen im Mai, sie ist für Reformen, und verurteilt Gewalt und ist gegen jegliche Intervention oder ausländische Einmischung).
 Qadri Jamil, von der demokratischen Opposition in der Volksversammlung gewählt (Parlamentswahlen von 7. Mai), von der kommunistischen Bewegung herkommend, wurde zum Vize-Premier Minister für Wirtschaft, Innen-Minister für Handel und Schutz der Verbraucher ernannt, während Ali Haïdar zum Staatsminister für Angelegenheiten der nationalen Versöhnung ernannt wurde, zu einem Posten, in dem er seither einen besonders nützlichen Beitrag zu der Volksversammlung gemacht hat.
 Am 22. und 23. September 2012 konnte der Kongress einer Koordinierung der politischen Opposition, die 20 Oppositions-Parteien und politische Kader enthält, in Damaskus stattfinden, in Gegenwart unter anderen der Botschafter von Russland und China.

Zu verschiedenen Anlässen hat der syrische Präsident der demokratischen Opposition einen nationalen Dialog vorgeschlagen, um eine mögliche einvernehmliche politische Lösung der Krise zu finden...

Nun, es sei darauf hingewiesen, diese vor kurzem in Moskau empfangene Opposition verweigert weiterhin die patriotischen Gespräche. Sie wird in dieser Ablehnung der souveränen Debatte durch Interferenz und Manipulationen durch die westlichen Provokateure wie Juppé-Fabius ermuntert. Letzterer ließ sich selbst dazu hinreißen, zum Mord des Staatsoberhauptes von Syrien aufzurufen.

Der Libanesische General Michel Aoun, Präsident der libanesischen Freien Patriotischen Bewegung, konnte vor kurzem mit Klarsicht behaupten, dass Syrien "der Demokratie näher stehe, als irgend ein anderes arabisches Land". Er warnte auch vor einem Sturz des Assad-Regimes, was "ein Vorspiel zu einem Weltkrieg“ werden könnte.

Ein säkularer und reformistischer Patriot, ein antiimperialistischer Kämpfer mit internationalem Format

Charismatischer Staatsmann, mutiger und hartnäckiger Politiker, der Präsident der Arabischen Republik Syrien erscheint in der Welt des freien Geists als ein von der „einheitlich dominierenden Denkweise“ [pensée unique] befreit, als antiimperialistischer Führer, als eine Leaderfigur, die den anti-kolonialen Kampf des 20. Jahrhunderts gekennzeichnet hat.

Präsident Baschar al-Assad diskutiert mit Zivilisten und Soldaten der syrischen arabischen Armee während eines Besuchs auf den Bezirk Baba Amr, Homs, 27. März 2012.
Photo : Agence SANA

Er führt unter unterschiedlichen Bedingungen einen offenbar solidarischen Kampf mit Hugo Chávez und dem Volk von Venezuela, um nur ein Beispiel zu nehmen. Jene Anti-Imperialisten in der Welt, die die Verteufelung von Fidel Castro oder von Chavez durch die westlichen prostituierten Medien nicht akzeptiert haben, sollen auch nicht das falsche Bild von einem autokratischen, blutigen Baschar al-Assad, der einen ideologischen Krieg aufzwingen möchte, schlucken.

Offenbar wird Baschar al-Assad von der Mehrheit der Syrer unterstützt; er erscheint als der fähigste, den militärischen und politischen Sieg über die imperialistischen Aggressoren und deren Mitarbeiter und Söldner zu konstruieren. Er ist auch der entschlossenste, das angegriffene syrische Staats-Volk in einer Reformpolitik für die Verteidigung der Souveränität und der nationalen Unabhängigkeit, Entwicklung der demokratischen Freiheiten und des Fortschritts zu vereinen.

Sollten wir nicht auch darüber hinaus bemerken, dass die auf Syrien, seine Regierung und seine patriotischen Menschen aufgezwungene Schlacht, objektiv diesen Nationalstaat an die vorderste Front der Verteidigung der Sache der Völker der ganzen Welt stellt?

Das souveräne Syrien ist eigentlich ein strategischer Vorposten im Kampf gegen die Versklavung der Völker und für die Freiheit aller Völker der Welt. Diese sind heute alle Vasalen, unterdrückt, oder durch den Aggressionskrieg der USA, und durch den euro-atlantischen und okzidentalen Block und seine verschiedenen Agenten bedroht.

Falls das antiimperialistische und säkulare Syrien zu Fall käme, was wir nicht glauben, wäre das natürlich eine Niederlage für den Iran, Russland und China. Das widerstehende Syrien ist ein Riegel, der diese Länder irgendwie schützt, deren programmierte Aggression es somit verzögert. Diese drei Länder sind in der Tat heute von vielen Militärbasen umgeben und werden mit verschiedenen kriegerischen Geräten in den Händen der US-Führer aufs Korn genommen, die, wir wissen es, auch Anti-Raketensysteme mit dem Anspruch installieren, sich unverwundbar zu machen.

Syrien und sein Volk werden über die amerikanische Wildheit triumphieren, wir glauben es fest. Aber wenn nicht, wäre es auch unsere eigene Niederlage, die aller friedlichen Bürger der Welt, die aller unterdrückten und Vasalen-Völker und Nationen. Wie General Aoun auch mit anderen betont hat, würde dies den Weg zu einem neuen Weltkrieg öffnen.

Es ist das Recht der Völker auf Selbstbestimmung, um das es in Syrien geht und nicht nur das Recht der Menschen aus diesem Land.

Die Zukunft des syrischen Staates, die Wahl ihrer Führer, die ausschließlich von der Volkssouveränität und der nationalen Unabhängigkeit bestimmt werden, muss in Syrien entschieden werden und in keiner anderen Hauptstadt, nirgendwo, weder in Washington, noch in Tel Aviv, noch in Paris.

Die soziale Frage und die nationale Frage sind untrennbar

Die Kommunisten und die syrischen Progressisten haben die Privatisierungen verurteilt und damit auch die invasive Einflusskraft des IWF und des Neoliberalismus auf die Wirtschaftspolitik des Landes der letzten Jahre, und zugleich ihre antisozialen Folgen. Sie haben eine Unzufriedenheit der einfachen Leute hervorgerufen, die von der Opposition rechtmäßig oder in demagogischer Weise ausgebeutet wurde.

Die aktuelle Suche im syrischen Volk, nach einem Konzept zur Erhaltung des säkularen Nationalstaats, das den Sieg über den Angriffskrieg erlaubt, wird möglicherweise eine Gelegenheit für die Patrioten sein, das nationale Interesse, die Souveränität des Volkes, die Entwicklung der demokratischen Freiheiten, mit einer Politik des wirtschaftlichen Wiederaufbaus, einschließlich des sozialen Fortschritts zu verbinden.

Diese besondere Situation ist nicht ohne an die heldenhafte Reise zu erinnern, die während dem zweiten Weltkrieg in Frankreich zur Verfassung des Nationalen Widerstands-Rates [CNR] und der Ausarbeitung seines Programms geführt hat.

Übersetzung
Horst Frohlich

* Das Komitee Valmy ist eine pluralistische Organisation in Frankreich:

Claude Beaulieu gehört dort der kommunistischen Empfindlichkeit an
Geneviève Blache ist Gaullistin, sie betreibt auch das Kollektiv „Résistance et Renouveau Gaullien“ [Widerstand und gaullistische Erneuerung].