Die Präsidenten Xi Jinping et Joachim Gauck

Im Gegensatz zu dem, was in Deutschland und Russland passiert ist, hat die chinesische Presse viel Aufmerksamkeit der "neuen Seidenstraße" gewidmet: ein großes Projekt, entworfen von Beijing, um diese Stadt Berlin und Moskau sowohl geographisch als auch wirtschaftlich anzunähern, das aber meiner Meinung nach, eine noch viel größere geopolitische Bedeutung hat. Das ist, warum, als der chinesische Führer Xi Jinping nach Duisburg reiste, eine Stadt des kommerziellen und stahlwerklichen Gebietes der Ruhr, die nicht nur der größte Binnenhafen der Welt ist, sondern auch der Dreh-und Angelpunkt für das Transport- und Logistik-Geschäft in Europa ist, zum Bau des wirtschaftlichen Gürtels der Seidenstraße aufgerufen hat.

Während die Vereinigten Staaten dank der Trans-Pazifik- und der transatlantischen Handels und Investitions-Partnerschaft (bzw. TPP und TTIP in englischer Sprache) sich günstig positionieren, zwei Vereinbarungen, die sie angeblich befähigen sollten, zwei Drittel des Welthandels „zu beherrschen“, so sollte die Umsetzung des Projekts "New Silk Road" für China, - zweite Wirtschaftsmacht der Welt und knapp vor der Entthronung der Vereinigten Staaten- den Effekt haben, es mit Deutschland (erste Wirtschaftsmacht in ganz Europa und vierte weltweit) und Russland (achte Wirtschaftsmacht der Welt) zu verbinden.

Die Kühnheit des chinesischen Staatsmannes auf geoökonomischer und geopolitischer Ebene könnte allerdings die Strategie, die ein Eckpfeiler der angelsächsischen Geopolitik seit der Zeit von Sir Halford Mackinder (NATO Theoretiker) zwischen den beiden Weltkriegen war, wieder neu aufleben lassen, nämlich: unter allen Umständen die Schaffung eines Bündnisses zwischen Deutschland und Russland in Europa verhindern. Heute sind China und Deutschland durch das internationale Schienennetz Europa-Xinjiang-Chongqing verbunden.

Die Xinhua-Nachrichtenagentur kündigte an, dass seit der Inbetriebnahme im Jahr 2011 des Eisenbahnnetzes ’Yu Neues Europa’, was die Dauer des Transports von Waren von fünf Wochen (Seeweg) auf nur zwei Tage reduziert und dann im Jahr 2013 die Eisenbahnverbindung zwischen Chengdu (Hauptstadt der Sichuan und das legendäre Panda-Schutzgebiet) und Lodz (Polen) in zwölf Tagen, über drei aufstrebende Märkte gehend, die Kasachstan, Russland und Weißrussland sind. Dieses Netzwerk, genannt "Neue Seidenstraße", würde durch die "Verknüpfung der Metropole Chongqing (Südosten von China) mit der Stadt Duisburg, die wichtigste Handelsroute der Welt" werden [1].

Und einige sagen schon voraus, dass China innerhalb von fünf Jahren der größte Handelspartner Deutschlands werden wird, da die „Wachstumschancen [von seinen derzeit wichtigsten Partnern wie Frankreich und die Vereinigten Staaten] sehr beschränkt sind“.

Apropos der durch die westlichen Mächte Russland auferlegten Sanktionen, hat die iranische Presse nicht versäumt, Chinas Annäherung zu Deutschland zu unterstreichen und veröffentlichte ein Interview mit William Engdahl, dem US-deutschen versierten Forscher in Geopolitik der Energieressourcen, Finanzen und Lebensmittel, der in deutschen und chinesischen Universitäten lehrt [2]. Laut der Meinung des iranischen Journalisten, der das Interview geführt hat, gelang dem chinesischen Präsident Xi Jingping eine Meisterleistung im Bereich der Wirtschaftsdiplomatie, indem er „die Anstrengungen der Neokonservativen Partei in Washington, um eine neue Konfrontation zwischen NATO und Russland zu provozieren“, vereitelte.

Laut Engdahl hat die Deklaration von Xi in Duisburg „vielversprechende Aussichten auf Wirtschaftswachstum für Eurasien“. Er hebt hervor, dass Deutschland und China „zwei wirtschaftliche Lokomotiven“ bilden, die sich an beiden Enden der Seidenstraße befinden und weist darauf hin, dass der Begriff "Seidenstraße" sich auf „die alte Handels- und Kultur Route bezieht, die 200 v. Chr. während der Dynastie Han gebaut wurde, um China, Zentralasien, Südasien mit Europa und dem Nahen Osten zu verbinden“.

Während der dritten Vollversammlung der kommunistischen Partei Chinas sprach Xi nicht nur von "der Seidenstraße", sondern auch von der „ozeanischen Seidenstraße". Für den chinesischen Führer bedeutet die eurasische Straße eine "strategische Priorität", weil "China neue Exportmärkte finden muss, diejenigen, in denen es bereits aktiv ist, erhalten muss, sowie die Unterschiede der Entwicklung zwischen gut entwickelten Küstenregionen, wie Shanghai und Teile des Innenraumes der weniger entwickelten Gebiete verringern muss", um die „Stabilität im Inneren Chinas sowie in den umliegenden Gebieten sicherzustellen“.

Jedoch überquert die Seidenstraße die geschäftige chinesische Provinz Xinjiang, wo die Mehrheit Uigurische Muslime sind, ein zentralasiatisches Volk mongolischen Ursprungs.

Engdahl stellte fest, dass "die Route der neuen Infrastruktur durch Russland gehe", da „es keine wirtschaftliche Alternative gibt“, was die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Russischen Föderation und letztlich zwischen China und den beiden Ländern unerlässlich macht. Für Engdahl ist es wichtig zu beachten, dass eine Woche vor seiner großen Tournee durch die verschiedenen europäischen Länder, der chinesische Führer in Beijing Bin Abdulaziz Al Saud, den Kronprinzen von Saudi-Arabien empfangen hatte. Er hat ihm angeboten, am Bau des wirtschaftlichen Gürtels der Routen der (terrestrischen und marinen) Seidenstraßen mitzuwirken, um den „Transport und den kulturellen Austausch“ zu fördern.

Es ist auch bezeichnend, dass Xi immer die kulturelle Frage in den Handel einbindet, wie sein historischer Besuch in Yukatan zeigte: der "Geist von Chichen Itza. [3]. Der Führer lässt nichts dem Zufall über, und genau wie sein Ministerpräsident hat er verschiedenen Ländern in Zentralasien, wo die Seidenstraße vorbeigeht, einen Besuch gemacht, nämlich: in Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan und Kirgisistan.

Die schwierige Stabilisierung Zentralasiens wird für den Erfolg der neuen Seidenstraße entscheidend sein, ein Avantgarde-Projekt von dem ehrgeizigen Xi, das von fünf Faktoren abhängt:
 1. die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Partner;
 2. die Stärkung des Zusammenhalts der Straße um einen großen Korridor des Verkehrs zu bauen, der vom Pazifischen Ozean bis zur Ostsee und von Zentralasien bis zum Indischen Ozean reicht ;
 3. die Liberalisierung des Handels durch die Beseitigung der Handelshemmnisse;
 4. die Stärkung der währungspolitischen Zusammenarbeit, die schließlich meiner Meinung nach den Dollar allmählich schwächen wird, zugunsten des chinesischen Renminbi, der indischen Rupie und des „deutschen“ Euros;
 5. die Vertiefung der Beziehungen zwischen den Völkern der Partnerländer: dreißigtausend Mitglieder des Shanghai Kooperation Rates werden in den nächsten zehn Jahren in chinesischen Universitäten studieren.

Engdahl zufolge spiegelt die Entscheidung von China, in Richtung seines "Westens" zu sehen, eine sehr wichtige Frage im Zusammenhang mit seiner Sicherheit wider, weil dieses Land für die Schließung der Straße von Malakka sehr anfällig ist, durch welche 85 % seiner Importe und 80 % seiner Energie-Ressourcen gehen".

Mit seinem Projekt der "neuen Seidenstraße", sowohl in der terrestrischen als auch maritimen Fassung, versucht China gegen eine mögliche Schließung der Straße von Malakka vorzubeugen.

Wird das angelsächsische Paar, Meister in der Kunst der Balkanisierung und Destabilisierung, die dreigliedrige eurasische Achse Berlin-Moskau-Peking sich entwickeln lassen ohne zu reagieren, eine Achse, die eine neue multipolare Weltordnung herbeiführen könnte?

Übersetzung
Horst Frohlich
Quelle
La Jornada (Mexiko)

[2China uses economy to avert cold war”, von F. William Engdahl, Press TV, 17. Mai 2014.

[3Chichen Itza, gelegen in Yukatan in dem aktuellen Mexiko, war das religiöse Zentrum der Maya im 10. Jahrhundert.