Islamistische Kämpfer, die an einer Militärparade in der Provinz Raqqa (im Norden von Syrien) teilnehmen, um die Einführung "des Kalifats" unter der Schirmherrschaft des islamischen Staates im Irak und in der Levante (ISIS) zu feiern
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Das Geheimnis rund um die erstaunliche Schaffung und den Ausbau von der sunnitischen dschihadistischen Gruppe ISIS, des islamischen Staates im Irak und in der Levante (Syrien und Libanon) - EIIL in Französisch und Daesh in Arabisch -, einer Gruppe, die "Verwirrung" verursacht zu haben scheint, beginnt sich zu klären, aufgrund der geostrategischen Auswirkungen, die sie auf die Grenzen von Russland, Indien und China ausüben wird, drei konstituierende Länder der Gruppe der als BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) bezeichneten Schwellenländer, die ihren sechsten Gipfel in Fortaleza abhalten.

ISIS, dessen offizieller Name zu IS "Islamischer Staat" abgeändert wurde, hat den ersten Fasttag des muslimischen Ramadans, einen Tag von großer symbolischer Bedeutung, für die Einrichtung des "islamischen Kalifats" in den militärisch besetzten Gebieten gewählt, und hat Abu Bakr al-Baghdadi, seinem mysteriösen Anführer, den Titel Kalif (das bedeutet auf Arabisch "Nachfolger" des Propheten Mohamed) verliehen.

Ein gefährliches Unternehmen, diese Errichtung des neuen sunnitischen Kalifats durch den "Islamischen Staat", das für die 300 Millionen Schiiten (20 % der Muslime auf der Welt) eine dreifache Ketzerei ist, weil:
 1. Das Kalifat, das mit den "Begleitern" des Propheten begann, ist ausschließlich sunnitisch und war die Ursache für den Bruch mit den Schiiten, die Ali (Cousin des Propheten) folgten;
 2. Abu Bakr, Vater der legendären Aisha und einer der Schwiegerväter des Propheten, der erste Kalif des sunnitischen Islams, ist heute der Kriegsname des "Neuen Kalifats des 21. Jahrhunderts" geworden ;
 3. das sunnitische Kalifat erstreckt sich von den Grenzen des Iran, in der Provinz Diyala bis nach Aleppo (Syrien) und bis zur türkischen Grenze.

Das ursprüngliche Kalifat verschwand nach dem ersten Weltkrieg im Zuge der Niederlage des Osmanischen Reiches, das künstlich, gemäß dem geheimen anglo-französischen Sykes-Picot-Abkommen über den Nahen Osten unter ihnen aufgeteilt wurde, ein Abkommen, welches das neue Kalifat des 21. Jahrhunderts de facto mit der Abschaffung der Grenze zwischen Syrien und Irak zunichte gemacht hat, und das der militärischen Neuausrichtung des irakischen Kurdistans zugute kommt.

Obwohl es ein mehrdimensionales Epiphänomen ist, sind die möglichen Folgen des neuen Kalifats des 21. Jahrhunderts enorm auf lokaler, grenzüberschreitender, regionaler und euro-asiatischer Ebene - in einer Region, wo die Öl Kontrolle eine wichtige Rolle spielt – , da sie einen mit seinem Dschihad für Öl verbundenen Irredentismus, sowie ihre geopolitische Prognose für die nächsten fünf Jahre bedeuten.

Der bewaffnete Konflikt von 1980-1988, der die irakischen Araber (zur Zeit von Saddam Hussein) mit den iranischen Persern (zur Zeit des Ayatollah Khomeini) konfrontiert hat, bevor die Vereinigten Staaten, Großbritannien und die NATO dem Irak wegen dynastischen Vetternwirtschaftsgründen von Bush (Vater und Sohn) zwei Kriege lieferten (1990-1991 und 2003-2011), hat doch "irgend jemandem" genutzt.

Nachdem der Irak seit 34 Jahren ununterbrochen in Krieg verwickelt war, ist er heute in einem Zustand des fortgeschrittenen Zerfalls, und beginnt eine neue Phase: die eines ethno-konfessionellen Krieges - Replikat der europäischen Religionskriege des 17. Jh., - zwischen Sunniten und Schiiten, ein Konflikt, der wahrscheinlich 30 Jahre lang dauern kann, bereits spürbar in verschiedenen Ländern des "Nahen und mittleren Ostens" (der, nach der Definition des israelischen Generals Ariel Scharon von Marokko bis Kaschmir und von Somalia bis zum Kaukasus reicht) im Irak, in Syrien, im Libanon, im Jemen, Bahrain und Saudi-Arabien (in seinem östlichen Teil, wo die Schiiten-"Minderheit" in der Mehrzahl ist) und an dem sich, hinter den Kulissen (aber bereits sichtbar) und auf regionaler Ebene, die sechs Petromonarchien der arabischen Staaten des GCC [Rates der Golf-Zusammenarbeit], die Türkei, Jordanien und Iran, ganz zu schweigen von dem irakischen-Kurdistan (großer Verbündeter Israels) beteiligen.

Im Herzen von Eurasien befindlich, hat das neues Kalifat des 21. Jahrhunderts tief greifende geostrategische Auswirkungen auf die RIC [ohne B: Brasilien], die, im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten und den Ländern des amerikanischen Kontinents, wo die muslimische Präsenz unendlich klein ist (0,8 % in den Vereinigten Staaten, 0,42 % in Südamerika und 1,6 % auf dem gesamten amerikanischen Kontinent), bedeutende muslimische "Minderheiten" haben.

Meiner Meinung nach, das neue Kalifat des 21. Jahrhunderts und sein globaler Dschihad, der sowohl das Öl als auch ein geo-strategisches Ziel ansteuert, bedroht die Grenzen der muslimischen Regionen der RIC und ändert die interne Demographie dieser Länder - deren gesamte muslimische Bevölkerung nahe von 200 Millionen liegt -, unter Berücksichtigung der Neutralisierungs-Stärke, die die Vereinigten Staaten über Russland und China (über die Obama-Doktrin) ausüben.

Mit einem kleinen Vorsprung erklärte ich bereits das Übergewicht des "islamischen-Faktors" in Indien, einem Land, das mit einer demographisch-geopolitischen Katastrophe konfrontiert ist.

Wladimir Putin sagte, dass „die Ereignisse, die von westlichen Ländern in der Ukraine verursacht wurden, der Beweis im kleinen Maßstab für die Existenz einer Eindämmungspolitik gegenüber der Russischen Föderation sind.“

Es ist unmöglich, die kommunizierenden Gefäße, die zwischen der Ukraine, dem Schwarzen Meer, Transkaukasien und dem erweiterten Nahen Osten existieren, beiseite zu lassen, wo mit viel Intensität, "der tschetschenische-Faktor" glänzt.

In der Stellungnahme von Putin haben die "Westlichen Länder" seit dem Zusammenbruch der unipolaren Welt den Dünkel, ihre Prinzipien anderen Ländern aufzuzwingen, indem sie die Welt in ein "globales Kartell“ umwandeln.

Als der Kalte Krieg auf seinem Höhepunkt war, hat das Buch der französischen Aristokratin Hélène Carrère-d’Encausse, mit dem Titel Das geplatzte Imperium: die Revolte der Nationen in der UdSSR. - ein Buch, das die Auflösung der Sowjetunion vorausgesagte - die Verletzbarkeit hervorgehoben, in die das hektische polygame Wachstum der muslimischen Bevölkerung den Zusammenhalt dieses Landes platzierte.

Die Politiker in den Vereinigten Staaten, besonders Vizepräsident Joe Biden, fangen wieder an vom ’Demographie Modell’ des " geplatzten Imperiums " zu reden, eines Russlands das bereits auf den kleinsten Nenner reduziert ist, wo eine beträchtliche muslimische Minderheit, 15 % der Bevölkerung (20 Millionen Menschen insgesamt), in der Region zwischen der Wolga und dem Ural ansässig ist, sowie nördlich des überempfindlichen Kaukasus (Dagestan, Tschetschenien, usw..).

China hat auch eine muslimische sunnitische, sehr turbulente und sichtbar von außen stimulierte Minderheit: die berühmten Uiguren - mongolischen Ursprungs; sie sind mit ihren Artgenossen im zentralen Asien und der Türkei verbunden -, die die Mehrheit in der autonomen Region Xinjiang und in Höhe von 10 Millionen (Volkszählung von 2010) sind.

Die wichtigste strategische Region, der Xinjiang, mit einer Fläche von 1,6 Millionen qkm, ist reich an Ölfeldern, ist die größte Erdgas produzierende Region von China und hat große Reserven an Uran.

Die Handelsbeziehungen zwischen Xinjiang und dem Kasachstan sind von großer geostrategischer Bedeutung im Herzen von Eurasien.

Vor kurzem haben die sunnitischen Uigur-Separatisten die Zahl der Attentate in der chinesischen Hauptstadt Peking erhöht.

Um die lokale chinesische Regierung zu stürzen, haben sich diese Separatisten schon vor der Publizierung an der Theologie des globalen Dschihad inspiriert, auf den sich heute das neue Kalifat des 21. Jahrhunderts beruft und mit dem sie sich sehr gut verbinden könnten.

Das neue Kalifat des 21. Jahrhunderts und sein globaler Dschihad gegen die BRIC-Staaten, könnte es Teil des "globalen Kartells" der "westlichen Länder" sein?

Übersetzung
Horst Frohlich
Quelle
La Jornada (Mexiko)