Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrter Herr Generalsekretär,
sehr geehrte Staats- und Regierungschefs,
meine Damen und Herren!
Das 70. Jubiläum der Vereinten Nationen ist ein guter Anlass, um eine Bilanz aus der Geschichte zu ziehen wie auch über unsere gemeinsame Zukunft zu sprechen. Im Jahr 1945 haben die Staaten, die den Nationalsozialismus besiegten, ihre Anstrengungen vereint, um solide Grundlagen für die Nachkriegsordnung zu schaffen.
Ich erinnere daran, dass die wichtigsten Entscheidungen über die Prinzipien der Zusammenarbeit von Staaten und der Beschluss über die Gründung der Vereinten Nationen in unserem Land getroffen wurden, bei der Jalta-Konferenz der Führer der Anti-Hitler-Koalition. Die Ordnung von Jalta wurde wirklich unter Schmerzen geboren, sie wurde mit dem Leben von vielen Millionen Menschen bezahlt, mit zwei Weltkriegen, die im 20. Jahrhundert über den Planeten fegten. Wenn wir objektiv sind, half sie der Menschheit, das turbulente und manchmal dramatische Geschehen der letzten siebzig Jahre zu überstehen. Sie bewahrte die Welt vor tief greifenden Erschütterungen.
Die Vereinten Nationen sind eine Struktur, die in Bezug auf Legitimität, Repräsentativität und Universalität einzigartig ist. In letzter Zeit wird die UNO viel kritisiert. Sie sei nicht effizient genug und die Entscheidungen über die wichtigsten Fragen verzögerten sich wegen unüberwindbarer Gegensätze vor allem zwischen Mitgliedern des Sicherheitsrates. Allerdings möchte ich betonen, dass es in der UNO im Verlauf der siebzig Jahre ihrer Existenz immer Differenzen gab. Das Vetorecht wurde immer genutzt, sowohl von den Vereinigten Staaten als auch von Großbritannien, Frankreich, China und von der UdSSR, später Russland. Das ist völlig natürlich für eine derart vielfältige und repräsentative Organisation. Die Gründer der Vereinten Nationen hatten nicht erwartet, dass hier Einstimmigkeit herrschen würde. Das Wesen dieser Organisation liegt darin, Kompromisse zu suchen und auszuarbeiten, und ihre Stärke – in der Berücksichtigung verschiedener Meinungen und Sichtweisen.
Die in der UNO diskutierten Entscheidungen werden in Form von Resolutionen miteinander abgestimmt oder auch nicht. Wie Diplomaten sagen: Entweder gehen sie durch oder nicht. Und jeder Versuch eines Staates, dieses Verfahren zu umgehen, ist unzulässig und verstößt gegen die Charta der Vereinten Nationen sowie gegen das geltende Völkerrecht.
Wir alle wissen, dass nach dem Ende des Kalten Krieges ein einziges Zentrum der Vorherrschaft in der Welt entstanden ist. Und diejenigen, die sich an der Spitze dieser Pyramide wiederfanden, waren in Versuchung zu glauben, weil sie so stark und außerordentlich wären, wüssten sie besser als alle anderen, was zu tun ist, und brauchten sich nicht an die Vereinten Nationen zu halten, die oft, statt eine gewünschte Entscheidung automatisch zu genehmigen und zu legitimieren, nur „im Wege standen“. Es wurde darüber diskutiert, dass die Organisation in ihrer ursprünglichen Form veraltet sei und ihre historische Mission erfüllt habe.
Sicherlich, die Welt wandelt sich und die Vereinten Nationen sollten diese natürliche Verwandlung mitmachen. Russland ist bereit, auf der Basis eines breiten Konsenses mit allen Partnern an der Weiterentwicklung der UNO zu arbeiten, doch die Versuche, die Autorität und die Legitimität der Vereinten Nationen zu untergraben, halten wir für äußerst gefährlich. Sie könnten zu einem Zusammenbruch der gesamten Architektur der internationalen Beziehungen führen und dann würden uns wirklich keine Regeln bleiben außer dem Faustrecht. Das würde eine Welt sein, in der statt kollektiver Arbeit der Egoismus herrscht, eine Welt mit immer mehr Diktat und immer weniger Gleichberechtigung, wirklicher Demokrate und Freiheit, eine Welt, in der die von außen gesteuerten Protektorate immer mehr würden auf Kosten der wirklich souveränen Staaten. Was überhaupt ist die staatliche Souveränität, von der hier bereits Kollegen gesprochen haben? Sie bedeutet in erster Linie für jeden Menschen, jedes Volk und jeden Staat, frei zu sein und seine Zukunft selbst bestimmen zu können.
Das gleiche, verehrte Kollegen, gilt auch für die Frage nach der so genannten Legitimität der Staatsmacht. Wir sollten hier nicht zum Zweck der Manipulation mit Worten spielen. Im Völkerrecht und bei internationalen Angelegenheiten muss jeder Begriff verständlich, transparent und eindeutig sein. Wir alle sind verschieden und das muss respektiert werden. Niemand ist verpflichtet, sich einem Entwicklungsmodell anzupassen, das gewisse Leute ein für alle Mal zum einzig richtigen erklärt haben.
Wir dürfen die Erfahrungen der Vergangenheit nicht vergessen. Wir zum Beispiel haben besonders die Geschichte der Sowjetunion in Erinnerung. Der Export von sozialen Experimenten, die Versuche, Veränderungen in diesen oder jenen Staaten auf der Basis der eigenen ideologischen Einstellung herbeizuführen, haben oft tragische Folgen gehabt, sie brachten nicht den Fortschritt, sondern den Verfall. Jedoch scheint es, als ob niemand aus den Fehlern der anderen lernt, sie werden nach wie vor wiederholt. Und so setzt der Export der heute „demokratisch“ genannten Revolutionen sich fort.
Es genügt, auf die Situation im Nahen Osten und in Nordafrika zu schauen, von der mein Vorredner gesprochen hat. Sicherlich, die politischen und die sozialen Probleme häuften sich in diesen Regionen schon lange und die Menschen wünschten sich Veränderungen. Doch was wurde in Wirklichkeit erreicht? Eine aggressive Einmischung von außen führte dazu, dass anstelle von Reformen die staatlichen Institutionen und die Lebensweise der Menschen rücksichtslos zerstört wurden. Statt des Triumphs von Demokratie und Fortschritt herrschen Gewalt, Armut und soziales Elend, während die Menschenrechte, einschließlich des Rechts auf Leben, keinen Wert mehr haben.
Ich möchte die für diese Situation Verantwortlichen fragen: „Versteht ihr jetzt wenigstens, was ihr getan habt?“ Doch ich fürchte, diese Frage wird unbeantwortet bleiben, denn diese Leute haben sich nicht von ihrer auf Selbstherrlichkeit und den Glauben an die eigene Außergewöhnlichkeit und an Straffreiheit gegründeten Politik verabschiedet.
Es ist bereits offensichtlich, dass das in mehreren Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas entstandene Machtvakuum zur Bildung von anarchistischen Zonen geführt hat, die sofort von Extremisten und Terroristen besetzt wurden. Unter der Fahne des so genannten Islamischen Staates stehen bereits Zehntausende von Kämpfern. Unter ihnen sind ehemalige irakische Militärs, die nach der Irak-Invasion 2003 auf die Straße gesetzt wurden. Ein Ursprungsland für Rekruten ist auch Libyen, dessen Eigenstaatlichkeit durch grobe Verletzung der Resolution des UN-Sicherheitsrats Nr. 1973 zerstört wurde. Heute werden die Reihen der Radikalen durch Mitglieder der so genannten gemäßigten syrischen Opposition gefüllt, die vom Westen unterstützt wird.
Zuerst werden sie bewaffnet und ausgebildet, dann laufen sie zum so genannten Islamischen Staat über. Doch auch der IS selbst ist nicht aus dem Nichts entstanden, auch er wurde anfangs gehätschelt als Waffe gegen unerwünschte säkulare Regierungen. Nachdem er einen Brückenkopf in Syrien und dem Irak errichtet hat, versucht der IS aktiv, sich in andere Regionen auszubreiten und die islamische Welt zu beherrschen – und nicht nur sie. Es ist klar, dass seine Pläne nicht auf diese Region beschränkt sind. Die Lage ist äußerst gefährlich.
In einer solchen Situation ist es scheinheilig und unverantwortlich, mit lauten Erklärungen über die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus aufzutreten und gleichzeitig die Augen vor den Kanälen zu verschließen, durch welche die Terroristen finanziert und unterstützt werden, dazu gehören Einkünfte aus dem Drogenhandel, illegalem Öl- und Waffenhandel. Es ist gleichermaßen unverantwortlich, extremistische Gruppen zu manipulieren, um sie für die eigenen politischen Ziele zu gebrauchen, in der Hoffnung, sie später wieder loszuwerden oder sie irgendwie auszuschalten.
Denen, die wirklich so denken und handeln, möchte ich sagen: „Meine Herren, Sie haben es sicherlich mit sehr brutalen Menschen zu tun, aber sie sind keineswegs dumme und primitive Menschen, sie sind nicht dümmer als Sie und man weiß noch nicht, wer hier wen benutzt.“ Die jüngsten Informationen über Waffenlieferungen an die Terroristen durch die bereits erwähnte „gemäßigte Opposition“ sind der beste Beweis dafür.
Wir halten alle Versuche, mit Terroristen zu spielen und erst recht sie zu bewaffnen, nicht nur für kurzsichtig, sondern für brandgefährlich. Die terroristische Gefahr kann dadurch dramatisch zunehmen und neue Regionen der Erde erfassen – umso mehr, als Kämpfer aus vielen Ländern, auch europäischen, die Ausbildungslager des IS durchlaufen.
Unglücklicherweise, verehrte Kollegen, muss ich zugeben, dass Russland hierbei keine Ausnahme ist. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Halsabschneider, die bereits Blut geleckt haben, später nach Hause zurückkehren und dort ihre schmutzige Arbeit fortführen. Wir wollen das nicht. Und niemand will das, nicht wahr? Russland ist immer entschlossen und konsequent dem Terrorismus in allen seinen Formen entgegengetreten.
Heute leisten wir militärische und technische Hilfe für den Irak und Syrien sowie für andere Länder der Region, die gegen terroristische Gruppen kämpfen. Wir schätzen die Absage, mit den syrischen Behörden zusammenzuarbeiten, mit der Regierungsarmee, mit den Leuten, die mutig gegen den Terror kämpfen, als schweren Fehler ein. Es muss endlich anerkannt werden, dass außer den Regierungstruppen des Präsidenten Assad und den kurdischen Milizen niemand in Syrien wirklich gegen den IS und andere Terrororganisationen kämpft. Wir kennen alle Probleme und alle Widersprüche in der Region, doch wir müssen uns trotzdem auf die wirklichen Verhältnisse stützen.
Verehrte Kollegen! Ich muss anmerken, dass unsere ehrliche und direkte Herangehensweise in letzter Zeit als Vorwand genutzt wird, um Russland wachsenden Ehrgeiz vorzuwerfen – als ob diejenigen, die davon sprechen, selbst keine Ambitionen hätten. Aber es geht nicht um Russlands Ambitionen, geehrte Kollegen, sondern um die Tatsache, dass wir den aktuellen Stand der Dinge auf der Welt nicht mehr hinnehmen können. In Wahrheit schlagen wir vor, sich nicht von Ehrgeiz, sondern von gemeinsamen Werten und Interessen auf der Basis des Völkerrechts leiten zu lassen, unsere Kräfte zusammenzuführen für die Lösung der vor uns stehenden neuen Probleme und ein wirklich breites internationales antiterroristisches Bündnis zu bilden. Nach dem Muster der Anti-Hitler-Koalition könnte es in seinen Reihen die unterschiedlichsten Kräfte vereinen, die entschieden denen entgegentreten, die wie die Nazis das Böse und den Hass säen.
Natürlich müssen muslimische Staaten zu den wichtigsten Mitgliedern einer solchen Koalition werden, denn der Islamische Staat birgt nicht nur eine direkte Bedrohung für sie, sondern entweiht durch seine blutigen Verbrechen eine der größten Weltreligionen – den Islam. Die Ideologen dieser Kämpfer verhöhnen den Islam und verfälschen seine wahren humanistischen Werte. Ich möchte mich an die geistlichen Führer der Muslime wenden: Ihre Autorität und Ihre Lehren sind heute wichtiger als je zuvor. Es ist nötig, die Menschen, welche die Militanten anzuwerben versuchen, vor unüberlegten Schritten zu bewahren, und denen, die getäuscht wurden und die aus verschiedenen Gründen in den Reihen der Terroristen gelandet sind, zu helfen, zurück in ein normales Leben zu finden, die Waffen niederzulegen und den Brudermord zu beenden.
In den nächsten Tagen wird Russland als Vorsitzender des Sicherheitsrats eine Ministersitzung für eine komplexe Analyse der Bedrohungen im Nahen Osten einberufen. Wir schlagen vor, insbesondere die Möglichkeit einer Resolution über die Koordination der Aktivitäten aller Kräfte zu diskutieren, die gegen den IS und andere Terrorgruppierungen kämpfen. Ich wiederhole: Diese Zusammenarbeit muss auf den formulierten Grundsätzen der UN-Charta basieren.
Wir hoffen, dass die internationale Gemeinschaft in der Lage sein wird, eine umfassende Strategie der politischen Stabilisierung und des sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbaus im Nahen Osten auszuarbeiten. Dann, verehrte Freunde, wird es nicht mehr nötig sein, Flüchtlingslager aufzubauen. Der Strom der Menschen, die genötigt sind, ihre Heimat zu verlassen, hat zunächst die Nachbarstaaten erfasst und jetzt auch Europa. Die Zahlen gehen in die Hunderttausende und können Millionen werden. Das ist im Grunde eine neue große und bittere Völkerwanderung und eine schwere Lektion für uns alle, auch für Europa.
Ich möchte betonen: Zweifellos brauchen die Flüchtlinge unser Mitgefühl und unsere Unterstützung. Allerdings wird man das Problem nur grundsätzlich lösen können, wenn man die staatlichen Strukturen dort, wo sie zerstört wurden, wieder herstellt durch die Stärkung der Regierungsinstitutionen, die noch erhalten oder im Wiederaufbau sind, und durch die Bereitstellung von umfassender Hilfe – militärisch, wirtschaftlich oder materiell – für die Länder in Schwierigkeiten und natürlich für die Menschen, die trotz aller Härte ihr Zuhause nicht verlassen haben.
Es versteht sich, dass jede Hilfe den souveränen Staaten nicht aufgezwungen, sondern nur angeboten werden darf, und zwar in voller Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen. Alles, was heute und in Zukunft auf diesem Gebiet entsprechend den Normen des Völkerrechts geleistet wird, muss von unserer Organisation unterstützt werden, und alles was gegen die UN-Charta verstößt, muss abgelehnt werden. Als Wichtigstes erscheint mir, die staatlichen Strukturen in Libyen wiederaufzubauen, die neue Regierung des Irak zu unterstützen und allseitige Hilfe für Syrien zu leisten.
Verehrte Kollegen, die Gewährleistung des Friedens und der regionalen und globalen Sicherheit bleibt die Hauptaufgabe der internationalen Gemeinschaft mit der UNO an der Spitze. Wir glauben, dass ein gleichgestellter und ungeteilter Sicherheitsraum geschaffen werden muss, der nicht für Auserwählte reserviert ist, sondern für jeden zur Verfügung steht. Ja, das ist eine komplexe, schwierige und zeitaufwändige Arbeit, doch dazu gibt es keine Alternative.
Allerdings dominiert bei einigen unserer Kollegen leider noch immer das Blockdenken des Kalten Krieges und das Streben nach der Aneignung neuer geopolitischer Räume. Zunächst wurde die Politik der NATO-Erweiterung weiterverfolgt. Wozu, wenn der Warschauer Pakt zu existieren aufhörte und die Sowjetunion zerfiel? Noch immer ist es so, dass die NATO nicht nur fortbesteht, sondern expandiert, so wie ihre militärische Infrastruktur auch. Dann wurden die Staaten der postsowjetischen Ära vor eine falsche Wahl gestellt: Westen oder Osten? Früher oder später musste diese Logik der Konfrontation eine schwere geopolitische Krise auslösen. Genau das ist in der Ukraine passiert, wo man die Unzufriedenheit eines großen Teils der Bevölkerung benutzte und von außen einen bewaffneten Umsturz provozierte, der sich in einen Bürgerkrieg verwandelte.
Wir sind überzeugt, dass man das Blutvergießen nur stoppen und den Ausweg aus der Sackgasse nur finden kann bei vollständiger und gewissenhafter Realisierung des Minsker Abkommens vom 12. Februar 2015. Durch Drohungen und Waffengewalt kann die territoriale Einheit der Ukraine nicht sichergestellt werden. Aber sie muss gewährleistet werden. Den Interessen und den Rechten der Menschen im Donbass muss wirklich Rechnung getragen werden. Ihre Wahl muss geachtet werden und auch die gemeinsame Verständigung, wie im Minsker Abkommen vorgesehen, über die Grundbausteine der politischen Struktur des Staates. Das ist die Bedingung für die künftige Entwicklung der Ukraine als zivilisierter Staat und als wichtigstes Bindeglied im Aufbau eines gemeinsamen Sicherheitsraums und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sowohl in Europa als auch in Eurasien.
Meine Damen und Herren, ich habe diesen gemeinsamen Raum der wirtschaftlichen Kooperation nicht zufällig angesprochen. Erst vor kurzem schien es noch, als ob wir lernten, in der Wirtschaft, wo objektive Marktgesetze herrschen, ohne Trennlinien auszukommen und auf der Grundlage von transparenten und gemeinsam ausgearbeiteten Regeln zu handeln, insbesondere den Prinzipien der WTO, welche Handels- und Investitionsfreiheit sowie eine offene Konkurrenz bedeuten. Doch heute sind einseitige Sanktionen unter Umgehung der UN-Charta fast schon zur Norm geworden. Sie verfolgen nicht nur politische Ziele, sie dienen auch als Mittel zur Beseitigung der Marktkonkurrenz.
Ich möchte ein weiteres Symptom des wachsenden wirtschaftlichen Egoismus aufdecken. Eine Reihe von Staaten haben den Weg von geschlossenen exklusiven wirtschaftlichen Vereinigungen beschritten, sie führen die Verhandlungen im Geheimen und informieren weder die eigenen Bürger noch die Geschäftskreise noch die öffentliche Meinung oder den Rest der Welt über ihre Besprechungen. Auch andere Staaten, deren Interessen betroffen sein könnten, werden nicht auf dem Laufenden gehalten. Vermutlich will man uns alle vor fertige Tatsachen stellen, sobald die Spielregeln neu geschrieben sind – wieder zugunsten eines engen Kreises von Auserwählten, dabei ohne Beteiligung der WTO. Das kann das Handelssystem völlig aus dem Gleichgewicht bringen und den Weltwirtschaftsraum in Stücke zerschlagen.
Diese Probleme betreffen die Interessen aller Staaten, sie beeinflussen die Perspektiven der gesamten Weltwirtschaft, daher schlagen wir vor, sie im Rahmen der UNO, der WTO und der G20 zu diskutieren. Als Gegenentwurf zur Politik der Exklusivität schlägt Russland eine Harmonisierung der regionalen wirtschaftlichen Projekte vor, die „Integration der Integrationen“, die auf universalen, transparenten Prinzipien des internationalen Handels beruht. Als Beispiel führe ich unsere Pläne zur Verbindung der Eurasischen Wirtschaftsunion mit der chinesischen Initiative für den „wirtschaftlichen Gürtel der Seidenstraße“ an. Nach wie vor sehen wir große Chancen in der Harmonisierung der Integrationsprozesse im Rahmen der Eurasischen Wirtschaftsunion und der Europäischen Union.
Meine Damen und Herren, unter den Herausforderungen, die die Zukunft der ganzen Menschheit betreffen, gibt es auch die des globalen Klimawandels. Wir messen den Ergebnissen der UNO-Klimakonferenz, die im Dezember in Paris stattfinden wird, große Bedeutung bei. Im Rahmen unseres nationalen Beitrags planen wir bis 2030, unseren Ausstoß an Treibhausgasen auf 70 bis 75 Prozent des Niveaus von 1990 zu begrenzen.
Doch ich schlage vor, dieses Problem breiter anzugehen. Sicherlich können wir durch die Einführung von Quoten auf schädliche Emissionen und durch andere taktische Maßnahmen das Problem für eine Weile entschärfen, doch wir werden es nicht grundlegend lösen. Wir brauchen einen völlig neuen Ansatz. Wir müssen prinzipiell neue, von der Natur inspirierte Technologien einführen, die der Umwelt nicht schaden, sondern harmonisch mit ihr koexistieren und es erlauben, die vom Menschen gestörte Balance zwischen der Biosphäre und der Technosphäre wiederherzustellen. Das ist wahrlich eine Herausforderung von globalem Maßstab. Ich bin überzeugt, dass die Menschheit das intellektuelle Potenzial hat, sie zu bewältigen.
Es ist notwendig, dass wir unsere Kräfte zusammenschließen, vor allem mit denjenigen Staaten, die über eine solide Forschungsbasis verfügen und Erfahrung in der Grundlagenforschung gemacht haben. Wir schlagen vor, ein Sonderforum unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen einzuberufen für eine umfassende Prüfung der Fragen, die mit der Erschöpfung der Naturressourcen, mit Umweltzerstörung und Klimawandel zusammenhängen. Russland ist bereit, sich an der Organisation eines solchen Forums zu beteiligen.
Verehrte Damen und Herren, am 10. Januar 1946 fand in London die erste Sitzung der UN-Generalversammlung statt. Bei der Eröffnung formulierte der Vorsitzende der Vorbereitungskommission, der kolumbianische Diplomat Zuleta Angel, meiner Ansicht nach sehr treffend die Prinzipien, auf die sich die Handlungen der UNO gründen müssen. Dies sind Gutwilligkeit, Verachtung für Intrigen und Tricks und der Geist der Zusammenarbeit. Heute klingt das wie eine Empfehlung an uns alle. Russland glaubt an das enorme Potenzial der Vereinten Nationen, das uns helfen sollte, eine neue globale Konfrontation zu vermeiden und zur Strategie der Kooperation überzugehen. Gemeinsam mit anderen Staaten werden wir konsequent auf die Stärkung der zentralen und koordinierenden Rolle der Vereinten Nationen hinarbeiten.
Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam die Welt stabil und sicher machen werden und günstige Bedingungen für die Entwicklung aller Staaten und aller Völker schaffen werden.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
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