1. Zur heutigen Berliner Libyen-Konferenz sind auf Einladung von Bundeskanzlerin Angela Merkel die Regierungen von Algerien, Ägypten, China, Deutschland, Frankreich, Italien, der Republik Kongo, Russland, der Türkei, der Vereinigten Arabischen Emirate, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika sowie Hohe Vertreter der Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union, der Europäischen Union und der Liga der Arabischen Staaten zusammengekommen.

2. Wir, die Teilnehmer, nehmen die Erklärung über die politische, sicherheitspolitische und humanitäre Lage in Libyen der Co-Vorsitzenden des Treffens auf Ebene der Außenminister zur Kenntnis, das Frankreich und Italien am Rande der 74. UN-Generalversammlung am 26. September 2019 in New York einberufen hatten.

3. Wir bekräftigen unser ausdrückliches Bekenntnis zur Souveränität, Unabhängigkeit, territorialen Unversehrtheit und nationalen Einheit Libyens. Nur ein politischer Prozess unter libyscher Führung und in libyscher Eigenverantwortung kann den Konflikt beenden und dauerhaften Frieden herbeiführen.

4. Der Konflikt in Libyen, die Instabilität im Lande, die Einmischungen von außen, die institutionellen Spaltungen, die unkontrollierte Verbreitung einer Vielzahl von Waffen und ein räuberisches Wirtschaftsgebaren bedrohen weiterhin den Weltfrieden und die internationale Sicherheit, indem sie illegalen Händlern, bewaffneten Gruppierungen und terroristischen Organisationen einen fruchtbaren Boden bieten. Hierdurch konnten Al-Qaida und der so genannte Islamische Staat im libyschen Hoheitsgebiet Fuß fassen sowie dort und in Nachbarländern Operationen durchführen. Dies hat zu einer destabilisierenden Zunahme illegaler Migration in der Region und zu einer gravierenden Verschlechterung der humanitären Lage geführt. Wir bekennen uns dazu, Libyen dabei zu unterstützen, diese strukturellen Probleme im Regierungs- und Sicherheitssektor anzugehen.

5. Im „Berliner Prozess” haben wir uns verpflichtet, den von Ghassan Salamé, dem Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs, und dem UN-Sicherheitsrat vorgelegten Drei-Punkte-Plan zu unterstützen. Der „Berliner Prozess“ dient einzig dem Ziel, den Vereinten Nationen zu helfen, die internationale Gemeinschaft in der Bemühung um eine friedliche Beilegung der Krise in Libyen zu einen. Es kann in Libyen keine militärische Lösung geben.

6. Wir verpflichten uns, uns nicht in den bewaffneten Konflikt in Libyen und in die inneren Angelegenheiten Libyens einzumischen, und wir rufen alle internationalen Akteure auf, dasselbe zu tun.

7. Wir erkennen die zentrale Rolle der Vereinten Nationen an im Hinblick auf die Förderung eines inklusiven innerlibyschen politischen Prozesses und eines Prozesses der Aussöhnung. Grundlagen hierfür sind das „Libysche Politische Abkommen“ (LPA) von 2015 und die darin vereinbarten Institutionen, die Resolution 2259 (2015) und die weiteren einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats sowie die in Paris, Palermo und Abu Dhabi vereinbarten Grundsätze. Wir erkennen ebenfalls die Rolle der Afrikanischen Union, der Liga der Arabischen Staaten, der Europäischen Union sowie der Nachbarländer bei der Stabilisierung Libyens an, insbesondere im Hinblick auf die innerlibysche, nationale Aussöhnung, Frieden und Sicherheit sowie den politischen Dialog. Alle diese Internationalen Organisationen werden eng zusammenarbeiten. In diesem Zusammenhang begrüßen wir die geplante Durchführung eines Forums für Aussöhnung durch die Afrikanische Union im Frühjahr 2020.

8. Wir unterstützen uneingeschränkt die guten Dienste und die Vermittlungsbemühungen der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (UNSMIL) und des Sonderbeauftragten Salamé. Wir betonen, dass eine dauerhafte Lösung in Libyen einen umfassenden Ansatz erfordert, der die verschiedensten Aspekte gleichzeitig angeht.

WAFFENSTILLSTAND

9. Wir begrüßen die spürbare Reduzierung der Gewalt seit dem 12. Januar und die am 13. Januar in Moskau geführten Verhandlungen sowie alle weiteren internationalen Initiativen, die darauf abzielten, den Weg zu einem Waffenstillstandsabkommen zu ebnen. Wir rufen alle beteiligten Parteien auf, ihre Anstrengungen für eine nachhaltige Einstellung der Feindseligkeiten, Deeskalation und einen dauerhaften Waffenstillstand zu verstärken. Wir verweisen erneut auf die zentrale Aufgabe des Sondergesandten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen hierbei. Wir fordern glaubwürdige, überprüfbare, zeitlich abgestimmte und wechselseitige Maßnahmen. Dazu gehören glaubwürdige Schritte hin zu einer Auflösung bewaffneter Gruppierungen und Milizen durch alle Parteien nach Artikel 34 des LPA, die - wie in den Resolutionen 2420 und 2486 des UN-Sicherheitsrats vorgesehen -, zu einer umfassenden und dauerhaften Einstellung aller Feindseligkeiten einschließlich Einsätzen aus der Luft über libyschem Hoheitsgebiet führen. Wir fordern die Rückverlegung schwerer Waffen, von Artillerie und Luftfahrzeugen sowie ihre Kantonierung.

10. Wir fordern die Einstellung aller militärischen Bewegungen seitens oder in direkter Unterstützung der Konfliktparteien im und über dem gesamten Hoheitsgebiet Libyens ab dem Beginn des Waffenstillstandsprozesses.

11. Wir fordern die Aufnahme vertrauensbildender Maßnahmen wie den Austausch von Gefangenen und sterblichen Überresten.

12. Wir fordern einen umfassenden Prozess der Demobilisierung und Entwaffnung bewaffneter Gruppierungen und Milizen in Libyen sowie die anschließende Eingliederung geeigneten Personals in zivile, sicherheitsbezogene und militärische Institutionen des Staates. Dies sollte auf individueller Basis sowie auf der Grundlage einer Erfassung des Personals bewaffneter Gruppierungen und einer fachgerechten Sicherheitsüberprüfung geschehen. Wir rufen die Vereinten Nationen auf, diesen Prozess zu unterstützen.

13. Wir bekräftigen die Notwendigkeit, den Terrorismus in Libyen mit allen im Einklang mit der UN-Charta und dem Völkerrecht stehenden Mitteln zu bekämpfen, wobei wir anerkennen, dass Entwicklung, Sicherheit und Menschenrechte einander wechselseitig verstärken und für einen wirksamen und umfassenden Ansatz der Terrorismusbekämpfung von grundlegender Bedeutung sind. Wir rufen alle Parteien auf, sich von Gruppierungen zu distanzieren, die von den Vereinten Nationen als terroristisch eingestuft worden sind. In diesem Zusammenhang und im Einklang mit Artikel 35 des LPA begrüßen wir die Bemühungen, die vom UN-Sicherheitsrat benannten einzelnen Terroristen und terroristischen Vereinigungen zu bekämpfen.

14. Wir fordern die Umsetzung der Resolution 2368 und anderer einschlägiger Resolutionen des UN-Sicherheitsrats, die den sogenannten Islamischen Staat, Al-Qaida und bestimmte Personen, Gruppierungen und Vereinigungen betreffen, insbesondere die Bestimmungen über Reiseverbote und das sofortige Einfrieren von Guthaben und anderer Vermögenswerte beziehungsweise von wirtschaftlichen Ressourcen bestimmter Personen und Vereinigungen. Wir bekräftigen erneut die verstärkte internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der von ausländischen terroristischen Kämpfern ausgehenden Bedrohung in Einklang mit Resolution 2322 des UN-Sicherheitsrats.

15. Wir rufen die Vereinten Nationen auf, die Waffenstillstandsverhandlungen zwischen den Parteien zu unterstützen, auch durch die sofortige Einsetzung von technischen Ausschüssen, die die Umsetzung des Waffenstillstands überwachen und überprüfen.

16. Wir rufen den UN-Sicherheitsrat auf, diejenigen mit angemessenen Sanktionen zu belegen, die gegen die Waffenstillstandsvereinbarungen verstoßen, und rufen dessen Mitgliedstaaten auf, diese Sanktionen durchzusetzen.

17. Wir rufen die UN-Mitgliedstaaten auf, sich dazu zu verpflichten, die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (UNSMIL) im Einklang mit Resolution 2486 (2019) mit dem erforderlichen Personal und Gerät auszustatten, um den Waffenstillstand wirksam zu unterstützen.

WAFFENEMBARGO

18. Wir verpflichten uns, das durch Resolution 1970 (2011) sowie die nachfolgenden Resolutionen des UN-Sicherheitsrats verhängte Waffenembargo unzweideutig und in vollem Umfang einzuhalten und umzusetzen, auch in Bezug auf die von Libyen ausgehende Verbreitung von Waffen. Wir rufen alle internationalen Akteure auf, dasselbe zu tun.

19. Wir fordern alle Akteure auf, alle Handlungen zu unterlassen, die den Konflikt verschärfen oder gegen das Waffenembargo des UN-Sicherheitsrats oder den Waffenstillstand verstoßen würden; dies schließt auch die Finanzierung militärischer Fähigkeiten und die Rekrutierung von Söldnern ein.

20. Wir bekräftigen unsere Forderung, jegliche Unterstützung aller von den Vereinten Nationen entsprechend eingestuften Terroristen oder terroristischen Gruppierungen einzustellen. Alle diejenigen, die Terrorakte verübt haben, sollen zur Verantwortung gezogen werden.

21. Wir verpflichten uns zu Anstrengungen, die gegenwärtigen Überwachungsmechanismen der UN und der zuständigen nationalen und internationalen Behörden im Rahmen unserer Fähigkeiten zu stärken, einschließlich der Überwachung auf See, aus der Luft und an Land, sowie durch Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen, insbesondere von Satellitenaufnahmen.

22. Wir verpflichten uns dazu, die UNSMIL, den UN-Sicherheitsrat, seinen nach Resolution 1970 (2011) eingesetzten Ausschuss sowie seine nach Resolution 1973 (2011) eingesetzte Sachverständigengruppe gegebenenfalls über Verstöße gegen das Waffenembargo zu informieren - auch durch Weitergabe nachrichtendienstlicher Informationen - und rufen alle internationalen Akteure auf, dasselbe zu tun.

23. Wir verpflichten uns, die Sachverständigengruppe der UN dabei zu unterstützen, solche Verstöße wirkungsvoll zu dokumentieren und darüber Bericht zu erstatten. Wir unterstützen sie bei der Untersuchung solcher Verstöße und rufen alle internationalen Akteure nachdrücklich auf, dasselbe zu tun. Wir ermuntern die Sachverständigengruppe, fortlaufend zu ermitteln und den einschlägigen Ausschuss des UN-Sicherheitsrats regelmäßig auf Verstöße gegen das Waffenembargo des UN-Sicherheitsrats aufmerksam zu machen. Wir verpflichten uns zur Unterstützung und uneingeschränkten Zusammenarbeit mit der UN-Sachverständigengruppe.

24. Wir rufen alle Akteure auf, von heute an – auch durch innerstaatliche Maßnahmen - die vom UN-Sicherheitsrat verhängten Sanktionen gegen diejenigen anzuwenden und durchzusetzen, die nachweislich gegen das Waffenembargo des UN-Sicherheitsrates oder den Waffenstillstand verstoßen.

RÜCKKEHR ZUM POLITISCHEN PROZESS

25. Wir unterstützen das Libysche Politische Abkommen als ein wesentliches Rahmenwerk für die politische Lösung in Libyen. Ferner fordern wir die Einrichtung eines funktionsfähigen Präsidentschaftsrates und die Bildung einer alle Seiten einbeziehenden und handlungsfähigen libyschen Einheitsregierung, die vom Abgeordnetenhaus anerkannt wird.

26. Wir rufen alle libyschen Parteien mit Nachdruck auf, den alle Seiten einbeziehenden, unter libyscher Führung und in libyscher Eigenverantwortung stehenden politischen Prozess unter der Federführung der UNSMIL wieder aufzunehmen, sich konstruktiv daran zu beteiligen und den Weg zur Beendigung der Übergangsperiode zu ebnen - durch freie, faire, alle Seiten einbeziehende und glaubwürdige Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, die von einer unabhängigen und leistungsfähigen Hohen Nationalen Wahlkommission organisiert werden.

27. Wir regen zur uneingeschränkten, wirksamen und maßgeblichen Beteiligung von Frauen und jungen Menschen an allen Aktivitäten in Bezug auf den demokratischen Übergang Libyens, die Konfliktbeilegung und die Friedenskonsolidierung an. Wir unterstützen die Bemühungen des UN-Sondergesandten Salamé zur Förderung des breiteren Engagements und der breiteren Beteiligung von Frauen und jungen Menschen aus allen Teilen der libyschen Gesellschaft am politischen Prozess und in den öffentlichen Institutionen.

28. Wir fordern alle Akteure mit Nachdruck auf, die Integrität und Einheit der libyschen Exekutive, Legislative und Judikative sowie anderer staatlicher Institutionen wiederherzustellen und zu achten.

29. Wir fordern eine transparente, rechenschaftspflichtige, faire und gerechte Verteilung öffentlicher Güter und Ressourcen zwischen den verschiedenen geographischen Regionen Libyens, auch durch Dezentralisierung und Unterstützung der Kommunen, wodurch ein wesentlicher Missstand und Grund für Schuldzuweisungen ausgeräumt würde.

30. Wir rufen den UN-Sicherheitsrat, die Afrikanische Union, die Liga der Arabischen Staaten und die Europäische Union auf, im Einklang mit den einschlägigen Beschlüssen des UN-Sicherheitsrats gegen diejenigen in Libyen vorzugehen, die den politischen Prozess beschädigen.

31. Wir rufen alle libyschen Parteien nachdrücklich auf, sich weiter an Bemühungen zur Vermittlung und Versöhnung zwischen ortsansässigen Gemeinschaften im Fessan zu beteiligen und diese zu unterstützen, damit das soziale Gefüge in dieser lang vernachlässigten Region wiederhergestellt wird.

32. Wir unterstreichen die wichtige Rolle der Nachbarländer im Prozess der Stabilisierung Libyens.

33. Wir verpflichten uns, alle bilateralen Kontakte zu nutzen, um alle libyschen Parteien mit Nachdruck dazu zu bewegen, sich am Waffenstillstand zu beteiligen und sich im innerlibyschen politischen Prozess unter Federführung der UNSMIL zu engagieren.

34. Wir verpflichten uns, die Ergebnisse dieses innerlibyschen politischen Prozesses zu akzeptieren und zu unterstützen.

REFORM DES SICHERHEITSSEKTORS

35. Wir fordern die Wiederherstellung des rechtmäßigen Gewaltmonopols des Staates.

36. Wir unterstützen die Aufstellung einheitlicher libyscher nationaler Sicherheits- und Polizeikräfte sowie Militärstreitkräfte unter zentraler ziviler Aufsicht auf der Grundlage der in Kairo geführten Gespräche und der dort erstellten Dokumente.

WIRTSCHAFTS- UND FINANZREFORM

37. Wir sind auch weiterhin der Auffassung, dass es von größter Bedeutung ist, die Integrität, Einheit und rechtskonforme Führung aller souveränen libyschen Institutionen wiederherzustellen, zu achten und zu bewahren - insbesondere der Zentralbank Libyens (Central Bank of Libya, CBL), des libyschen Staatsfonds (Libya Investment Authority, LIA), der Nationalen Erdölgesellschaft (National Oil Corporation, NOC) und des Rechnungshofes (Audit Bureau, AB). Ihre Vorstandsgremien sollten unter Einbeziehung aller Seiten und repräsentativ besetzt sowie aktiv tätig sein.

38. Wir verpflichten uns, auf Ersuchen dieser libyschen Behörden und in voller Übereinstimmung mit den Grundsätzen der nationalen Eigenverantwortung technische Hilfe zur Verbesserung der Transparenz, Rechenschaftspflicht und Effizienz zu leisten. Wir verpflichten uns außerdem, diese Institutionen auch durch Auditverfahren in Übereinstimmung mit internationalen Standards zu bringen sowie einen innerlibyschen Dialog über Missstände bezüglich der Verteilung der Einkünfte des Landes zu ermöglichen, an dem Vertreter aller verschiedenen Interessengruppen teilnehmen. Wir fordern die Verbesserung der Leistungsfähigkeit der einschlägigen libyschen Aufsichtsinstitutionen, insbesondere des Rechnungshofes, der Behörde für Verwaltungsaufsicht, der nationalen Behörde für Korruptionsbekämpfung, der Generalstaatsanwaltschaft und der einschlägigen parlamentarischen Ausschüsse, wie dies im Libyschen Politischen Abkommen und in den einschlägigen libyschen Gesetzen vorgesehen ist.

39. Wir betonen in Übereinstimmung mit den Resolutionen 2259 (2015) und 2441 (2018), dass die Nationale Erdölgesellschaft (National Oil Corporation, NOC) Libyens einziges unabhängiges und rechtmäßiges Erdölunternehmen ist. Wir fordern alle Parteien nachdrücklich auf, die Sicherheit aller Einrichtungen der Nationalen Erdölgesellschaft weiterhin zu garantieren und Angriffe auf Erdölanlagen und die Erdölinfrastruktur zu unterlassen. Wir stellen uns jedem Versuch entgegen, Libyens Erdölinfrastruktur zu beschädigen, genauso wie der unrechtmäßigen Ausbeutung der dem libyschen Volk gehörenden Energieressourcen durch Verkauf oder Erwerb libyschen Rohöls oder von Erdölprodukten außerhalb der Kontrolle der NOC. Wir fordern die transparente und gerechte Aufteilung der Erdöleinkünfte. Wir begrüßen die monatliche Veröffentlichung der Erdöleinnahmen durch die NOC als Beleg ihres Einsatzes für mehr Transparenz.

40. Wir unterstützen den wirtschaftlichen Dialog mit Vertretern libyscher Wirtschafts- und Finanzinstitutionen und regen die Durchführung struktureller Wirtschaftsreformen an. Um diesen Dialog zu erleichtern, unterstützen wir die Schaffung einer alle Seiten einbeziehenden Kommission libyscher Wirtschaftsfachleute, die sich aus libyschen Amtsträgern und Experten zusammensetzt, die ihrerseits die institutionelle und geografische Vielfalt des Landes widerspiegeln.

41. Wir treten für die Teilhabe der libyschen Kommunen ein und fordern die Zentralbehörden nachdrücklich auf, sich uneingeschränkt zur Zuweisung der für die Aufrechterhaltung der Kommunalverwaltung erforderlichen Finanzmittel zu bekennen, insbesondere im Süden des Landes.

42. Wir regen die Schaffung eines Wiederaufbaumechanismus für Libyen an, der die Entwicklung und den Wiederaufbau in allen Regionen unter der Federführung einer neuen, repräsentativen und geeinten Regierung fördert, die ihre Befugnisse im gesamten Hoheitsgebiet Libyens ausübt, um so Entwicklung in den erheblich in Mitleidenschaft gezogenen Gebieten zu ermöglichen. Dabei ist Wiederaufbauprojekten in den Städten Bengasi, Darna, Murzuk, Sabha, Sirte und Tripolis Vorrang zu gewähren.

43. Wir erinnern daran, dass der UN-Sicherheitsrat Vermögenswerte des libyschen Staatsfonds LIA mit dem Ziel ihrer Bewahrung für das libysche Volk eingefroren hat. Wir betonen die Notwendigkeit einer Bestandsaufnahme der libyschen Finanz- und Wirtschaftsinstitutionen – auch um die Bemühungen zu unterstützen, diese Institutionen wieder zu vereinen. Wir wollen den einschlägigen libyschen Behörden dabei helfen, die Integrität und Einheit des LIA auch durch eine glaubwürdige, umfassende Rechnungsprüfung des LIA und seiner Tochterunternehmen zu fördern.

ACHTUNG DES HUMANITÄREN VÖLKERRECHTS UND DER MENSCHENRECHTE

44. Wir rufen alle Parteien in Libyen mit Nachdruck auf, das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechtsnormen uneingeschränkt zu achten, Zivilisten und die zivile Infrastruktur einschließlich der Flughäfen zu schützen, medizinischem Personal, Menschenrechtsbeobachtern, humanitärem Hilfspersonal und humanitärer Hilfe den Zugang zu gewähren und Maßnahmen zu treffen, um die Zivilbevölkerung einschließlich der Binnenvertriebenen, Migranten, Flüchtlinge, Asylbewerber und Gefängnisinsassen auch durch die Zusammenarbeit mit UN-Stellen zu schützen.

45. Mangelnde Rechtsstaatlichkeit in der Funktionsweise des nationalen Rechtswesens einschließlich des Justizvollzugssystems ist einer der Faktoren, die zur unbeständigen und ernsten Lage im humanitären und Menschenrechtsbereich beitragen. Wir fordern, die Verordnungen libyscher Behörden zur Erfassung aller Internierten und Gefängnisinsassen unter der Kontrolle des Ministeriums der Justiz bzw. des Justizvollzugsdienstes weiterzuverfolgen, um die Funktionsfähigkeit der Justizorgane zu stärken und die unrechtmäßig oder willkürlich Inhaftierten freizulassen.

46. Wir fordern alle Parteien nachdrücklich auf, die Praxis der willkürlichen Inhaftierung zu beenden. Wir rufen die libyschen Behörden auf, Alternativen zur Inhaftnahme einzuführen - insbesondere für jene, die in sehr risikoreichen Konfliktgebieten leben - sowie die Haftzentren für Migranten und Asylbewerber schrittweise zu schließen und gleichzeitig die rechtlichen Rahmenbedingungen in Libyen in Bezug auf Migration und Asyl so anzupassen, dass sie dem Völkerrecht sowie international anerkannten Standards und Grundsätzen entsprechen.

47. Wir betonen die Notwendigkeit, all jene zur Verantwortung zu ziehen, die das Völkerrecht verletzt haben, etwa indem sie willkürlich Gewalt gegen Zivilisten angewendet, dicht besiedelte Wohngebiete angegriffen, außergerichtliche Tötungen verübt, Menschen entführt oder verschwinden lassen, sexuelle oder geschlechtsspezifische Gewalt verübt, Folter und Misshandlungen angewendet, Menschenhandel durchgeführt oder sich der Gewalt gegen beziehungsweise des Missbrauchs von Migranten und Flüchtlingen schuldig gemacht haben.

48. Wir fordern alle Parteien mit Nachdruck auf, sich jeglicher Förderung des nationalistischen, rassenbezogenen oder religiösen Hasses, der eine Anstiftung zur Diskriminierung, zu Feindseligkeit oder Gewalt darstellt, zu enthalten, auch bei der Nutzung sozialer Medien.

49. Wir verpflichten uns, die Arbeit libyscher Institutionen zur Dokumentation von Verletzungen des humanitären Völkerrechts und von Menschenrechtsnormen zu unterstützen.

50. Wir ermuntern die libyschen Behörden, Institutionen der Übergangsjustiz weiter zu stärken. Strafverfolgungsinitiativen, Wiedergutmachungsleistungen, Wahrheitssuche und institutionelle Reformen sollten im Einklang mit international anerkannten Standards und Grundsätzen stehen. Das Recht, die Wahrheit über das Verschwinden von Menschen zu erfahren, muss erhalten und verteidigt werden, dazu gehört es, Zugang zum Rechtsweg und Recht auf Wiedergutmachung zu haben - sowie die Garantie, dass dies in Libyen nicht wieder passieren wird.

FOLGEMASSNAHMEN

51. Wir fordern den Generalsekretär der Vereinten Nationen, seinen Sonderbeauftragten für Libyen und den Vorsitz des Berliner Prozesses auf, die Libyer über die Ergebnisse dieses Prozesses und der Konferenz zu informieren. Wir begrüßen, dass Premierminister Sarraj und Marschall Haftar ihre Vertreter für das militärische 5+5-Kommitee benannt haben, das UNSMIL zur Unterstützung der Operationalisierung in dem Dokument vorgeschlagen hat, das den Annex dieser Schlussfolgerungen bildet. Um substantielle und ernsthafte Gespräche im 5+5-Komitee zu erlauben, erklären alle Teilnehmer der Konferenz, dass sie von jeglicher weiterer militärischer Verstärkung und Operation absehen werden, solange die Waffenruhe respektiert wird.

52. Wir bringen unsere uneingeschränkte Unterstützung für die in der Anlage aufgeführte Erfolgsbemessung dieser Schlussfolgerungen durch den Sonderbeauftragten des Generalsekretärs für Libyen zum Ausdruck.

53. Wir stimmen darin überein, dass die Berliner Libyen-Konferenz ein wichtiger Schritt im Rahmen eines breiter angelegten Prozesses unter libyscher Führung und in libyscher Eigenverantwortung zur endgültigen Beendigung der Krise in Libyen durch umfassende Einbeziehung der dem Konflikt zugrunde liegenden Faktoren ist. Die aus der Berliner Libyen-Konferenz resultierenden Folgemaßnahmen spielen eine wichtige Rolle. Es wird von entscheidender Bedeutung sein, aus den oben eingegangenen Verpflichtungen durchführbare Maßnahmen zu entwickeln und die Indikatoren, Rollen und Verantwortlichkeiten klar zu benennen - nicht nur für die Vereinten Nationen, sondern auch für die Teilnehmer selbst sowie potenziell andere UN-Mitgliedstaaten und internationale Organisationen.

54. Hiermit setzen wir einen Internationalen Ausschuss für Folgemaßnahmen (IFC) ein, der aus allen Ländern und Internationalen Organisation, die heute an der Berliner Libyen-Konferenz teilnehmen, zusammengesetzt ist und der im Nachgang zur Berliner Libyen-Konferenz unter Federführung der Vereinten Nationen die Koordinierung aufrechterhält. Der IFC wird auf zwei Ebenen zusammentreten:

a) im Plenum auf Ebene leitender Beamter, das einmal im Monat unter UNSMIL-Vorsitz, mit rotierendem Co-Vorsitz und an rotierenden Tagungsorten stattfindet. Der IFC hat die Aufgabe, die Fortschritte bei der Umsetzung dieser Schlussfolgerungen nachzuverfolgen und erforderlichenfalls seinen Einfluss geltend zu machen. Am Ende jeder Sitzung wird eine Schlussfolgerung vorgelegt, in der spezifische Erfolge beziehungsweise spezifische Einhaltungsfortschritte gewürdigt werden;

b) in vier fachlichen Arbeitsgruppen, die während der ersten Umsetzungsphasen zweimal im Monat nichtöffentlich auf Expertenebene tagen. Die Arbeitsgruppen basieren auf den Themenbereichen dieser Schlussfolgerungen. Jede Gruppe wird von einem UN-Vertreter geleitet. In nichtöffentlichen Sitzungen werden die Teilnehmer (i) der Umsetzung im Wege stehende Hindernisse benennen, (ii) einschlägige Informationen austauschen und (iii) unbeschadet des Mandats des UN-Sicherheitsrats die operativen Erfordernisse und Hilfsmaßnahmen abstimmen.

55. Wir werden die Schlussfolgerungen dieser Konferenz dem UN-Sicherheitsrat zur Kenntnis bringen und fordern den Sonderbeauftragten Salamé und die UNSMIL auf, die Umsetzung der im Rahmen des Berliner Prozesses abgegebenen Verpflichtungen zu unterstützen.