Michael McFarland

Am 9. und 10. Dezember wird Präsident Biden Gastgeber des "Gipfels für Demokratie" sein, der durch globale Online-Verbindungen "Führer der Regierung, der Zivilgesellschaft und des Privatsektors" zusammenbringen wird. Die Gästeliste umfasst 111 Länder [1]. Unter ihnen sind 28 der 30 NATO-Mitglieder: es fehlen die Türkei und Ungarn, aber als Ausgleich haben wir Israel und die Ukraine, mit 26 der 27 Mitglieder der EU, außer Ungarn. Der Gipfel "wird ihnen eine Plattform bieten, um Demokratie und Menschenrechte intern und extern zu verteidigen, um durch kollektives Handeln den größten Bedrohungen zu begegnen, die Demokratien heute vor sich haben". Auf diese Weise wird "ein Jahr des Handelns eingeleitet, um Demokratien reaktionsfähiger und widerstandsfähiger zu machen", das mit einem zweiten, körperlich präsenten Gipfel gekrönt wird, um "eine Gemeinschaft von Partnern aufzubauen, die sich der globalen demokratischen Erneuerung verschrieben haben".

Joe Biden hält damit an dem fest, was er in seinem Wahlprogramm angekündigt hat (il manifesto,10. November 2020): einen Weltgipfel der "Nationen der freien Welt", vor allem, um "die russische Aggression zu vereiteln, die Schärfe der Bündnis-Fähigkeiten zu erhalten und Russland reale Kosten seiner Verletzungen der internationalen Normen aufzuerlegen", und gleichzeitig "eine Einheitsfront gegen Chinas offensive Aktionen und Menschenrechtsverletzungen aufzubauen" [2]. Dabei werden die Vereinigten Staaten zurückkehren, um "die Rolle des Führers beim Schreiben der Regeln zu spielen". "Die Verteidigung demokratischer Werte", erinnerte Biden in Präsidentenkleidung, "ist Teil unserer Nations-DNA."

Was in der DNA der Vereinigten Staaten eingeschrieben ist, zeigen die etwa hundert Eroberungskriege, die ihre Geschichte geprägt haben. Laut einer dokumentierten Studie von James Lucas (il manifesto, 20. November 2018) hat allein die Serie von Kriegen und Staatsstreichen, die von den Vereinigten Staaten seit 1945 bis heute in mehr als 30 asiatischen, afrikanischen, europäischen und lateinamerikanischen Ländern durchgeführt wurden, 20-30 Millionen Tote, Hunderte Millionen Verwundete (von denen viele behindert geblieben sind) verursacht; plus eine nicht quantifizierte Zahl von Toten, wahrscheinlich Hunderte von Millionen, verursacht durch die indirekten Kriegs-Auswirkungen: Hungersnöte, Epidemien, erzwungene Migration, Sklaverei und Ausbeutung, Umweltschäden, Abtretung von Ressourcen von lebenswichtigen Bedürfnissen zur Deckung der Militärausgaben. In den blutigsten Kriegen – Korea, Vietnam und Irak – waren die US-Streitkräfte direkt für 10-15 Millionen Tote verantwortlich. Der blutigste Putsch wurde 1965 in Indonesien von der CIA organisiert: Sie versorgte die indonesischen Todesschwadronen mit der Liste der ersten 5000 Kommunisten und anderer, die getötet wurden. Die Zahl der Ermordeten wird auf 0,5 bis 3 Millionen geschätzt.

Derselbe Joe Biden, Förderer des "Gipfels für Demokratie", hatte eine Hauptrolle in einem Teil dieser Geschichte. Im Jahr 2001 unterstützte er als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Senats die Entscheidung von Präsident Bush, Afghanistan anzugreifen und in Afghanistan einzumarschieren, und 2002 brachte er eine parteiübergreifende Resolution ein, die Präsident Bush ermächtigte, den Irak anzugreifen und in ihn einzumarschieren. Im Jahr 2007 verabschiedete er durch den Senat einen Zerstückelungs-Plan des Irak in drei – kurdische, sunnitische und schiitische – Regionen, die der US-Strategie dienen. In den Jahren 2009-2017 beteiligte er sich als Vizepräsident der Obama-Regierung an der Planung und Durchführung der Kriege gegen Libyen und Syrien und an dem Putsch in der Ukraine, wo er eine direkte und entscheidende Rolle spielte.

Was die interne Demokratie betrifft, genügt es sich daran zu erinnern, dass die Polizei nach offiziellen Statistiken jedes Jahr etwa 1000 unbewaffnete Zivilisten in den Vereinigten Staaten tötet, hauptsächlich Schwarze und Lateinamerikaner. Es genügt, sich daran zu erinnern, dass die Vereinigten Staaten den Journalisten Julian Assange, der ihre Kriegsverbrechen aufgedeckt hat, zu 175 Jahren Gefängnis verurteilen wollen. Wahrscheinlich wird die britische Justiz in wenigen Tagen eine Entscheidung über seine Auslieferung an die USA treffen. Unterdessen war Großbritannien am 6. Dezember Mitveranstalter einer Vorbereitungsveranstaltung für den Gipfel mit dem Titel "Verteidigung der Demokratien gegen Desinformation", die sich auf "bewährte Verfahren zur Förderung eines offenen und transparenten Informationssystems" konzentrierte.

Übersetzung
Horst Frohlich
Quelle
Il Manifesto (Italien)

[1«Liste des Etats invités au Forum de la Démocratie» [Liste der zum Forum für Demokratie eingeladenen Staaten], Réseau Voltaire, 24 novembre 2021.

[2Was wird die Außenpolitik des nächsten US-Präsidenten sein?“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Korrekturlesen : Werner Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 8. September 2020. „Die Außenpolitik von Joe Biden“, von Manlio Dinucci, Übersetzung Horst Frohlich, Il Manifesto (Italien) , Voltaire Netzwerk, 10. November 2020.