Slava Stezko, die Witwe des Nazi-Premierministers Jaroslaw Stezko, eröffnete die Sitzungen von 1998 und 2002 in der Werchowna Rada.

Wenn ein Krieg ausbricht, glauben die Regierungen immer, dass sie die Moral ihres Volkes stärken müssen, indem sie es mit Propaganda überschütten. Es steht so viel auf dem Spiel, Leben und Tod, dass sich Debatten verhärten und extremistische Positionen ein gutes Rezept sind. Das ist genau das, was wir erleben, oder besser gesagt, die Art und Weise, wie wir uns jetzt verändern. In diesem Spiel haben die von den einen und anderen verteidigten Ideen nichts mit ihren ideologischen Voraussetzungen zu tun, sondern nur mit ihrer Nähe zur Macht.

Im etymologischen Sinne ist Propaganda nur die Kunst des Überzeugens, der Verbreitung von Ideen. Aber in der modernen Zeit ist es eine Kunst, die darauf abzielt, die Realität zu rekonstruieren, um den Gegner zu verunglimpfen und seine eigenen Truppen zu preisen.

Entgegen der landläufigen Meinung im Westen waren es nicht die Nazis oder die Sowjets, die sie erfunden haben, sondern die Briten und US-Amerikaner während des Ersten Weltkriegs [1].

Heute koordiniert die NATO ihre Bemühungen in diesem Bereich von ihrem Strategischen Kommunikationszentrum in Riga (Lettland) aus [2]. Sie identifiziert die Punkte, auf die sie einwirken will, und organisiert internationale Programme, um sie zu verwirklichen.

So identifizierte die NATO Israel als Schwachpunkt: Während der ehemalige Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ein persönlicher Freund des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj war, erkannte sein Nachfolger Naftali Bennett die Gültigkeit der russischen Politik an. Er riet sogar, die Krim und den Donbass zurückzugeben und vor allem die Ukraine zu entnazifizieren. Der derzeitige Premierminister Yair Lapid ist schwankender. Er will nicht die integralen Nationalisten unterstützen, die kurz vor und während des Zweiten Weltkriegs eine Million Juden massakriert haben. Aber er will auch mit dem Westen in gutem Einvernehmen bleiben.

Um Israel wieder auf den richtigen Weg zu bringen, versucht die NATO Tel Aviv davon zu überzeugen, dass Israel im Falle eines russischen Sieges seine Position im Nahen Osten verlieren würde [3]. Daher verbreitet sie so weit wie möglich die Lüge, dass der Iran Russlands militärischer Verbündeter sei. Die internationale Presse behauptet immer wieder, dass die auf dem Schlachtfeld eingesetzten russischen Drohnen iranischen Ursprungs seien, und ebenso bald auch die Mittelstreckenraketen. Doch Moskau weiß sehr gut, wie man diese Waffen herstellt und hat Teheran nie um solche gebeten. Russland und Iran bestreiten diese Vorwürfe dauernd. Aber die westlichen Politiker, die sich auf die Presse und nicht auf bloßes Nachdenken verlassen, haben bereits Sanktionen gegen iranische Waffenhändler verhängt. Bald wird Yair Lapid, Sohn des Präsidenten der Gedenkstätte Yad Vashem, umzingelt und gezwungen sein, sich auf die Seite der Verbrecher zu stellen.

Die Briten hingegen zeichnen sich traditionell dadurch aus, vernetzte Medien zu aktivieren und Künstler für ihre Sache zu gewinnen. Der MI6 stützt sich auf eine Gruppe von 150 Nachrichtenagenturen, die innerhalb des PR-Netzwerks arbeiten [4]. Sie überzeugen all diese Unternehmen, ihre Unterstellungen und Slogans aufzugreifen.

Der Begründer des ukrainischen integralen Nationalismus, Dmytro Donzow, empfand einen obsessiven Hass gegen Juden und Zigeuner. Während des Weltkrieges verließ er die Ukraine, um Treuhänder des Reinhard-Heydrich-Instituts zu werden. Es war diese Institution mit Sitz in der Tschechoslowakei, die für die Planung der Vernichtung aller Juden und Zigeuner auf der Wannsee-Konferenz verantwortlich war. Er beendete seine Tage friedlich in den Vereinigten Staaten.

Sie waren es, die uns nacheinander davon überzeugt haben, dass Präsident Wladimir Putin im Sterben lag, dass er dann verrückt geworden ist, oder dass er bei sich zu Hause auf starken Widerstand gestoßen ist und dass er durch einen Putsch gestürzt werden würde. Ihre Arbeit wird heute mit Kreuzinterviews mit Soldaten in der Ukraine fortgesetzt. Man hört die ukrainischen Soldaten sagen, sie seien Nationalisten und die russischen Soldaten, dass sie Angst hätten, aber Russland verteidigen müssten. Man hört, dass Ukrainer keine Nazis sind und dass Russen, die unter einer Diktatur leben, gezwungen sind zu kämpfen. In Wirklichkeit sind die meisten ukrainischen Soldaten keine "Nationalisten" im Sinne von Verteidigern ihrer Heimat, sondern "integrale Nationalisten" im Sinne zweier Dichter, Charles Maurras und Dmytro Donzow [5]. Das ist absolut nicht dasselbe.

Erst 1925 verurteilte Papst Pius XI. den "integralen Nationalismus". Zu dieser Zeit hatte Donzow bereits sein Buch Націоналізм (Nationalismus) (1921) geschrieben. Maurras und Donzow definieren die Nation als Tradition und denken ihren Nationalismus gegen andere (Maurras gegen die Deutschen und Donzow gegen die Russen). Beide verabscheuen die Französische Revolution, die Prinzipien von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit und verurteilen unablässig Juden und Freimaurer. Sie sehen Religion als nützlich für die Organisation der Gesellschaft, scheinen aber agnostisch zu sein. Diese Positionen führten dazu, dass Maurras ein Petain-Anhänger und Donzow ein Hitler-Anhänger wurde. Letzterer wird dann noch in einem mystischen Waräger-Delirium (schwedische Wikinger) versinken. Der nächste Papst, Pius XII., hob die Verurteilung seines Vorgängers auf, kurz bevor der Krieg ausbrach. Nach der Befreiung wird Maurras wegen Feind-Einvernehmens (er, der deutschfeindlich war) verurteilt werden, aber Donzow wurde von den angelsächsischen Geheimdiensten geborgen und ging ins Exil nach Kanada, dann in die USA.

Was die russischen Soldaten betrifft, die wir in unseren Fernsehnachrichten interviewt sehen, sagen sie uns nicht, dass sie zum Kampf gezwungen werden, sondern im Gegensatz zu den integralen Nationalisten keine Fanatiker sind. Für sie ist Krieg, auch wenn man die eigenen Leute verteidigt, immer ein Horror. Weil uns immer wieder und wieder gesagt wird, dass Russland eine Diktatur ist, verstehen wir etwas anderes. Wir akzeptieren nicht, dass Russland eine Demokratie ist, denn für uns kann eine Demokratie kein autoritäres Regime sein. Dennoch war zum Beispiel die Zweite Französische Republik (1848-1852) sowohl eine Demokratie als auch ein autoritäres Regime.

Wir lassen uns leicht überzeugen, weil wir nichts über die ukrainische Geschichte und Kultur wissen. Vielleicht wissen wir, dass Neurussland [Novorossia] von einem französischen Aristokraten regiert wurde, Armand-Emmanuel du Plessis de Richelieu, einem persönlichen Freund von Zar Alexander I. Er setzte die Arbeit des Fürsten Grigori Potemkin fort, der diese Region nach dem Vorbild Athens und Roms aufbauen wollte, was erklärt, warum Neurussland auch heute noch von russischer (und nicht ukrainischer) Kultur ist, ohne jemals die Leibeigenschaft gekannt zu haben.

Das Denkmal von Babi Jar in Kiew. 33.771 jüdische Ukrainer wurden dort in zwei Tagen, am 29. und 30. September 1941, von der ukrainischen Waffen-SS und Reinhard Heydrichs Einsatzgruppen erschossen. Dieses Massaker wurde von den integralen Nationalisten als Sieg gefeiert. Heute hat die ukrainische Regierung die Hauptstraße, die dorthin führt, nach dem integralen Nationalisten Stepan Bandera benannt, "zu Ehren" des größten Verbrechers ihrer Geschichte.
Wenige Monate nach seiner Wahl, am 6. Mai 1995, reiste Leonid Kutschma, der zweite Präsident der neuen Ukraine, nach München, um Slava Stetzko, die Witwe des ukrainischen Nazi-Ministerpräsidenten, zu treffen. Kutschma akzeptierte die Einführung eines ausdrücklichen Verweises auf den Nationalsozialismus in die neue Verfassung: "Die Erhaltung des genetischen Erbes des ukrainischen Volkes unterliegt der Verantwortung des Staates" (sic).

Wir kennen die Gräueltaten der Zwischenkriegszeit und des Zweiten Weltkriegs in der Ukraine nicht und haben nur eine vage Vorstellung von den Gewalttaten der UdSSR. Wir wissen nicht, dass der Theoretiker Donzow und sein Schüler Stepan Bandera nicht zögerten, all jene zu massakrieren, die nicht ihrem "integralen Nationalismus" entsprachen; zuerst die Juden in diesem chasarischen Land, dann die Russen und die Kommunisten, die Anarchisten von Nestor Machno und noch viele andere. Die "integralen Nationalisten", des Führers Bewunderer und zutiefst rassistisch geworden, kehrten mit der Auflösung der UdSSR zurück [6]. Am 6. Mai 1995 reiste Präsident Leonid Kutschma nach München (in die Büros der CIA), um sich mit der Führerin der Integralen Nationalisten, Slava Stezko, der Witwe des Nazi-Ministerpräsidenten, zu treffen. Sie war gerade in die Werchowna Rada (Parlament) gewählt worden, konnte aber ihr Mandat nicht wahrnehmen, weil ihr die ukrainische Staatsbürgerschaft entzogen worden war. Einen Monat später verabschiedete die Ukraine ihre aktuelle Verfassung, die in Artikel 16 besagt, dass "die Erhaltung des genetischen Erbes des ukrainischen Volkes der Verantwortung des Staates obliege" (sic). Anschließend eröffnete dieselbe Slava Stezko zweimal die Sitzung der Rada und beendete ihre Interventionen mit dem Schlachtruf der integralen Nationalisten: "Ruhm der Ukraine!"

Die moderne Ukraine hat ihr Nazi-Regime mit Geduld aufgebaut. Nach der Proklamation des "genetischen Erbes des ukrainischen Volkes" erließ sie verschiedene Gesetze. Das erste gewährt den Vorteil der Menschenrechte durch den Staat nur Ukrainern, nicht Ausländern. Das zweite definiert, was die Mehrheit der Ukrainer ist und das dritte (verkündet von Präsident Selenskyj), wer die Minderheiten bildet. Der Trick dabei ist, dass kein Gesetz über russischsprachige Menschen spricht. In Ermangelung erkennen die Gerichte ihnen daher den Genuss der Menschenrechte nicht zu.

Seit 2014 hat ein Bürgerkrieg zwischen integralen Nationalisten und russischsprachigen Bevölkerungen, vor allem die der Krim und des Donbass, gewütet. 20 000 Tote später startete die Russische Föderation in Ausübung ihrer "Schutzverantwortung" eine spezielle Militäroperation, um die Resolution 2202 des Sicherheitsrates (Minsker Vereinbarungen) umzusetzen und dem Martyrium der russischsprachigen Bevölkerung ein Ende zu setzen.

Präsident Selenskyj und sein Freund Benjamin Netanjahu. Letzterer macht nun die Unterstützung der Ukraine zu seinem Hauptthema im Wahlkampf. Netanyahu ist der Sohn von Ze’ev Jabotinsky’s Privatsekretär; eine ukrainische Persönlichkeit, die ein Bündnis mit den integralen Nationalisten gegen die Bolschewiken schloss. Er versuchte, die ukrainische jüdische Gemeinde in den Dienst dieser Antisemiten zu stellen, wurde aber innerhalb der Zionistischen Weltorganisation, deren Direktor er wurde, einstimmig denunziert.

Die NATO-Propaganda überschwemmt uns mit dem wirklichen Leid der Ukrainer, aber sie ignoriert die acht Jahre Folter, Mord und Massaker, die ihm vorausgingen. Sie spricht von "unseren gemeinsamen Werten mit der ukrainischen Demokratie", aber welche Werte teilen wir mit integralen Nationalisten und wo ist die Demokratie in der Ukraine?

Wir brauchen nicht zwischen den einen oder den anderen wählen, sondern nur den Frieden verteidigen und damit die Minsker Vereinbarungen und die Resolution 2202.

Krieg macht uns verrückt. Es kommt dann zu einer Umkehrung der Werte. Die Extremsten triumphieren. Manche unserer Minister sprechen von: "Russland zu ersticken" (sic). Wir sehen nicht, dass wir Ideen unterstützen, gegen die wir zu kämpfen glauben.

Übersetzung
Horst Frohlich
Korrekturlesen : Werner Leuthäusser

[1Die Methoden der modernen militärischen Propaganda“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Voltaire Netzwerk, 17. Mai 2016.

[2NATO-Kampagne gegen die freie Meinungsäußerung“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Voltaire Netzwerk, 5. Dezember 2016.

[3«Iran, Israël und Russland», Voltaire, internationale Nachrichten - N°11 - 21. Oktober 2022.

[4Das antirussische Kriegspropaganda-Netzwerk“, Übersetzung Horst Frohlich, Voltaire Netzwerk, 25. März 2022.

[5Die Ideologie der Banderisten“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Korrekturlesen : Werner Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 21. Juni 2022.

[6Ukraine: Der Zweite Weltkrieg geht weiter“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Korrekturlesen : Werner Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 26. April 2022.