Die Präsidenten der USA und Frankreichs, Joe Biden und Emmanuel Macron, haben ein israelisch-libanesisches Waffenstillstandsabkommen mündlich angekündigt. Zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Artikels war noch kein Dokument von den Protagonisten unterschrieben.

Diese Vereinbarung wurde von Benjamin Netanjahu über den US-Unterhändler Amos Hochstein heraufbeschworen, was in völligem Widerspruch zu seinen früheren Positionen steht. Die jüdische Diaspora ist nun tief gespalten und unterstützt ihn größtenteils nicht mehr (vgl. 2488). Seine Armee ist erschöpft und hat keine Munition mehr. Sein offizielles Kriegsziel (die Rückkehr von 100.000 Israelis in ihre Häuser an der libanesischen Grenze zu ermöglichen) wurde überhaupt nicht erreicht. Im Gegenteil, die Hisbollah greift jetzt Militärstützpunkte bis tief nach Tel Aviv an. Auch sein inoffizielles Ziel (Israel nach Norden auszudehnen) scheiterte. Die IDF, die in der Luft zweifellos siegreich ist und alles zerstören kann, was sie will, ist völlig unfähig, libanesisches Territorium zu besetzen, dessen Bevölkerung Widerstand leistet.

Dieses Waffenstillstandsabkommen soll angeblich für 60 Tage gültig sein. Das bedeutet, dass die Feindseligkeiten in zwei Monaten oder jederzeit danach wieder aufgenommen werden können. Benjamin Netanjahu behauptet, er habe das Recht erhalten, die Hisbollah anzugreifen, wenn sie ihre Truppen wieder aufbaut, was absolut falsch ist und von allen libanesischen Quellen, die an den Verhandlungen teilgenommen haben, bestritten wird. Der Premierminister nennt den Iran sein nächstes Ziel. Teheran nahm jedoch an den Verhandlungen teil und bestätigte, dass es seine Strategie der "Achse des Widerstands" aufgibt, um sich auf ein globales Abkommen mit dem Westen zuzubewegen.

Die Arabische Liga ist sich ihrerseits bewusst, dass der 80-jährige Krieg noch nicht vorbei ist, sondern sich auf den Irak und Syrien verlagert. Aus diesem Grund hat der Iran die Kontakte zu den beiden irakisch-kurdischen Parteien wieder aufgenommen (vgl. VAI 1969) und Türkiye hat die Verhandlungen mit Abdullah Öcalan wieder aufgenommen (vgl. VAI 2247). In der Zwischenzeit bombardierte die israelische Armee bis zur letzten Minute alle Straßen, die Syrien mit dem Libanon verbinden, und zerstörte ihre Brücken (vgl. VAI 2711 und 2712), während die Dschihadisten ihre Angriffe auf Damaskus wieder aufnahmen, wie im Krieg von 2011, als Benjamin Netanjahu Al-Qaida-Offiziere besuchte, die in Israel im Krankenhaus lagen.

Dieser Artikel ist das Editorial der Ausgabe 110 von "Voltaire, actualité internationale". Die Welt verändert sich schnell. Abonnieren Sie unseren wöchentlichen, vertraulichen Newsletter, eine außergewöhnliche Informationsquelle über den Übergang zu einer multipolaren Welt.

Übersetzung
Horst Frohlich