Die israelische Delegation von Benjamin Netanjahu und die ukrainische Delegation von Wolodymyr Selenskyj. Zwischen ihnen schwebt die Erinnerung an das faschistische Bündnis von Wladimir Jabotinsky und Dmytro Donzow.

Im Allgemeinen definiert jeder Krieg, wer "wir" sind und wer "sie" sind. "Wir" sind gut, während "sie" böse sind.

Westliche Staats- und Regierungschefs erklären zwar, dass Krieg an und für sich schlecht ist, behaupten aber, dass er angesichts der Aggression Russlands und der Hamas jetzt unverzichtbar ist. Sie sagen, Russland, oder besser sein Präsident Wladimir Putin träume davon, unser Eigentum zu beschlagnahmen und unser politisches System zu zerstören. Nach dem Einmarsch in die Ukraine werde er in Moldawien und die baltischen Staaten einmarschieren und dann weiter nach Westen vorrücken. Die Hamas hingegen sei eine hasserfüllte Sekte, die aus Antisemitismus mit der Vergewaltigung und Enthauptung von Juden beginnt und im Namen ihrer Religion weiter in den Westen eindringt.

Man sollte beachten, dass Israel und die Vereinigten Staaten ursprünglich von ihren Armeen, der Haganah und der Kontinentalarmee, gegründet wurden. Die überwiegende Mehrheit ihrer politischen Führer hat heute zuerst in den Streitkräften oder in den Geheimdiensten Karriere gemacht. Aber sie sind nicht die einzigen, denn Xi Jinping ist auch ein ehemaliger Soldat und Wladimir Putin ein ehemaliger sowjetischer Geheimdienstler (KGB).

Man fragt sich, was die Fantasien des politischen Westens nährt und wie die Entscheidungsträger uns daran hindern, die Realität zu begreifen. Russland ist genauso wenig in die Ukraine einmarschiert wie seinerzeit Frankreich in Ruanda einmarschiert ist. Moskau und Paris haben jeweils das Massaker an Ukrainern im Donbass und das der ruandischen Tutsis unterbrochen. Beide haben sich von ihrer "Schutzverantwortung" leiten lassen und Resolutionen des Sicherheitsrats umgesetzt. Palästinenser vergewaltigen oder enthaupten niemanden zum Vergnügen, auch wenn manche von ihnen einem Geheimbund angehören, der das tut. Sie kämpfen nicht aus Antisemitismus gegen die Juden, mit Ausnahme des historischen Zweigs der Hamas, sondern gegen das Apartheidsystem, dessen Opfer sie sind.

Vielleicht hat die kollektive Blindheit die erste Aufgabe, unsere früheren Verbrechen auszulöschen: Es waren die "Demokratien" der Vereinigten Staaten und der Mitglieder der Europäischen Union, die den Sturz des gewählten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch im Jahr 2014 organisiert haben. Es waren Deutschland und Frankreich, die die Minsker Vereinbarungen unterzeichnet haben, um den Ukrainern im Donbass Frieden zu garantieren (2015), aber sie haben nie die Absicht gehabt sie umzusetzen, und sie haben sie laut den Eingeständnissen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident François Hollande zur Bewaffnung der Ukraine gegen Russland genutzt. Dieser Verstoß gegen unser Wort und unsere Unterschrift stellt nach Ansicht des Nürnberger Tribunals das schwerste aller Verbrechen dar, das Verbrechen "gegen den Frieden".

In ähnlicher Weise ist es die "größte Demokratie im Nahen Osten", Israel, das durch Besetzung und Enteignung den größten Teil der palästinensischen Gebiete, die in der Resolution 181 (1947) des Sicherheitsrats verankert sind, Meter für Meter gestohlen hat.

Es sei denn, es ist umgekehrt: Vielleicht hat unsere kollektive Blindheit die Funktion, dass wir unsere nächsten Verbrechen begehen können. In diesem Fall sollten wir uns nicht wundern, dass wir versuchen, die russische Wirtschaft zu zerschlagen und Russland letztlich in die Steinzeit zurückzuschicken. Wir sollten uns auch nicht über die Rhetorik wundern, die zur ethnischen Säuberung des geografischen Palästina und letztlich zur Vertreibung von einer Million Palästinensern aufruft.

Benjamin Netanjahu und Wolodymyr Selenskyj verharren in stillem Gedenken in Babi Jar, wo 33.000 Juden von den Nazis und ihren ukrainischen Kollaborateuren massakriert wurden. Die Heuchelei der Zeremonie ist offensichtlich: Das Denkmal ist von der Stepan-Bandera-Allee aus zugänglich, die nach dem "Providnyk" (Führer) der Organisation Ukrainischer Nationalisten benannt ist

Bei diesen Konflikten geht es nicht um den Raub von Rohstoffen, sondern um Territorien. Seit 1917 beanspruchen Dmytro Donzows ukrainische integrale Nationalisten die Souveränität über Nestor Machnos anarchistisches Neurussland, über den Donbass und die bolschewistische Krim. Natürlich wurden diese Gebiete von dem Ukrainer Nikita Chruschtschow in die sowjetische Ukraine eingegliedert, aber Kiew kann sich nicht auf diese jüngste Geschichte berufen, um sich diese Gebiete anzueignen. In ähnlicher Weise beanspruchen die revisionistischen Zionisten von Vladimir Ze’ev Jabotinsky seit 1920 die Souveränität über ganz Palästina und schließlich über den ägyptischen Sinai, den Libanon, Jordanien und Syrien, kurz alle Gebiete vom "Nil bis zum Euphrat". Natürlich bestand das alte Königreich Jerusalem aus der Stadt und ihren Vororten, aber das erlaubt ihnen nicht, die Geschichte für all diese Eroberungen heraufzubeschwören.

Es wird oft gesagt, dass die demographische Alterspyramide die Aggressivität der Staaten bestimmt. Diejenigen, die mehrheitlich junge Menschen im Alter zwischen 15 und 30 Jahren haben, wären von Natur aus kriegsorientiert. Dies ist jedoch nicht der Fall in der Ukraine oder Israel. Darüber hinaus ist es Palästina, nicht Israel, das die Bevölkerungspyramide in den Krieg treiben könnte.

Die wohl wichtigste Frage ist die ideologische. Dmytro Donzow und sein Handlanger Stepan Bandera haben die ukrainischen Kämpfer, Erben der schwedischen Wikinger, die Waräger, die die "Moskowiter" massakrieren sollen, um in Walhalla schmausen zu können, verherrlicht. Heute tut es der "Weiße Führer" Andrij Bilezki, der die Truppen der Asow-Division in Mariupol, die 3. Angriffsbrigade in Bachmut/Artjomowsk und zuletzt in Awdejewka/Awdijiwka befehligte. Auch Benjamin Netanjahu, Sohn des Privatsekretärs von Wladimir Jabotinsky, hat nicht gezögert, die Palästinenser mit den alten Amalekitern zu vergleichen. Mit anderen Worten, sie müssen alle ausgerottet werden, wie Jahwe befiehlt, sonst wird sich ihre Rasse gegen die Hebräer erheben. In ähnlicher Weise zerstörte die Tsahal [IDF] systematisch alle Universitäten und Schulen im Gazastreifen und massakrierte 30 000 Zivilisten unter dem Deckmantel des Kampfes gegen die Hamas.

Dmytro Donzow hat bereits 1923, also noch vor seiner Machtergreifung, ein Bündnis mit Adolf Hitler geschlossen und wurde dann einer der Verwalter des Reinhard-Heydrich-Instituts, das für die Umsetzung der Endlösung der Juden- und Zigeunerfrage verantwortlich war. Wladimir Jabotinsky, der 1922 ein Bündnis mit Donzow eingegangen war, gründete 1935 mit Hilfe vom Duce Benito Mussolini die Kaderschule Betar in Civitavecchia (Italien). Im Zweiten Weltkrieg hatte er keine Gelegenheit, eine große Rolle zu spielen, da er im August 1940 starb. Es kann absolut keinen Zweifel geben, dass die ukrainischen integralen Nationalisten dem Nazismus und die revisionistischen Zionisten dem Faschismus zustimmen.

Darüber hinaus finden wir die territoriale Logik des faschistischen und nationalsozialistischen Regimes in den aktuellen Reden des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu. Während die Präsidenten Russlands und Palästinas, Wladimir Putin und Mahmud Abbas, immer wieder betonen, ihre Völker zu verteidigen.

• Um mehr über Dmytro Donzows integralen Nationalismus zu erfahren, lesen Sie
"Wer sind die ukrainischen integralen Nationalisten?", Übersetzung Horst Frohlich, Korrekturlesen: Werner Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 15. November 2022,
• Um mehr über Volodymyr Jabotinskys revisionistische Zionisten zu erfahren, lesen Sie:
Der Schleier zerreißt: Die verborgenen Wahrheiten von Jabotinsky und Netanjahu“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Korrekturlesen: Werner Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 23. Januar 2024;
Die "Konferenz für den Sieg Israels" in Jerusalem bedroht London und Washington“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Korrekturlesen: Werner Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 13. Februar 2024.

Übersetzung
Horst Frohlich
Korrekturlesen : Werner Leuthäusser