Der Internationale Gerichtshof unter dem Vorsitz von Joan Donoghue, einer ehemaligen Beamtin des US-Außenministeriums, hat in dem Fall zwischen Südafrika und Israel einen Sicherungsbeschluss erlassen. Es überrascht nicht, dass das Gericht genau die gleiche Entscheidung traf wie die US-Position: Israel muss alles in seiner Macht Stehende tun, um einen Völkermord zu verhindern, während es seinen Krieg gegen die Hamas fortsetzt.

Die internationale Justiz steckt noch in den Kinderschuhen

Der Gerichtshof ist eine Keimzelle der internationalen Justiz innerhalb der Vereinten Nationen. Er ersetzt den Ständigen Internationalen Gerichtshof, der 1922 im Rahmen des Völkerbundes eingerichtet wurde. Dieses System ist also erst ein Jahrhundert alt. Damit soll sichergestellt werden, dass jeder Staat die von ihm unterschriebenen Verpflichtungen einhält. Die Angelsachsen, die dieses Gericht 1945 akzeptierten, versuchen jedoch seit 1942, nicht das Völkerrecht anzuwenden, sondern ihre Herrschaft über die Welt zu etablieren. Bei der Unterzeichnung der Atlantik-Charta bekräftigten der britische Premierminister Winston Churchill und US-Präsident Franklin D. Roosevelt im Namen ihrer Staaten, dass sie allein über die Unstimmigkeiten zwischen den Staaten in der Nachkriegswelt entscheiden sollten. Das ist die Hauptursache des Kalten Krieges und der aktuellen Konflikte.

Im Gegensatz zu dem Bild, das wir von ihm haben, ist der Internationale Gerichtshof also kein ausgereiftes Gericht, sondern ein Schlachtfeld, auf dem das unipolare angelsächsische Projekt der Welt mit dem multipolaren Projekt der meisten anderen Staaten konfrontiert ist. So müssen wir also die Verordnung zu den Massakern in Gaza interpretieren.

Das einzige Mittel, um Druck auf die Regierungen auszuüben, die dem Gerichtshof zur Verfügung stehen, ist nicht die Armee, sondern die öffentliche Meinung in jedem Land. Keine Regierung akzeptiert die Idee, ihrem Volk gegenüber als kriminell dargestellt zu werden. Daher ist es besonders wichtig, dessen Entscheidungen zu verstehen.

Richter müssen Recht sprechen, aber sie sind nicht unabhängig genug

Die fünfzehn ständigen Richter des Gerichtshofs werden von ihren eigenen Regierungen vorgeschlagen und von allen gewählt. Sie müssen ihre Entscheidungen juristisch begründen. Diese spiegeln jedoch in der Regel ihre nationalen Vorurteile wieder. Es kommt sehr selten vor, dass Richter, die von ihrer eigenen Regierung gewählt werden, sich gegen sie entscheiden. Darüber hinaus werden zwei zusätzliche Richter von beiden Konfliktparteien ernannt. Sie kommen, um ihr Land zu verteidigen und suchen nach rechtlichen Argumenten, um ihr Plädoyer zu untermauern.

Ich erinnere mich übrigens daran, als ich Muammar Gaddafi beriet, dass die Korruption internationaler Richter notorisch war. Im Zusammenhang mit einem Urteil über die Rechtmäßigkeit des Krieges der NATO gegen sein Volk hatte der libysche Staatschef den Befehl gegeben, die "Geschenke", die die internationalen Richter erhalten haben, durch gleichwertige Gaben zu kompensieren.

In diesem jetzigen Fall stimmten nur zwei Richter gegen alle oder manche Beschlüsse des Gerichts.

Natürlich der Ad-hoc-Richter, der Israel vertritt, Aharon Barak. Er nahm an der Seite des revisionistischen Zionisten Menachem Begin am Abkommen von Camp David teil. Als Präsident des Obersten Gerichtshofs legte er die Grundgesetze so aus, dass er sich selbst die Befugnis gab, die Knesset zu zensieren; ein unglaubwürdiges System, auf dem die israelische Demokratie aufgebaut wurde und das Benjamin Netanjahu zu stürzen versucht. In seinen Urteilen verteidigte er konsequent die Interessen Israels gegenüber den Palästinensern und verbot den Palästinensern, Klagen wegen des Schadens einzureichen, der ihnen von Tsahal, der IDF, zugefügt wurde. Tatsächlich kann man einer Meinung nach kein Omelett zubereiten, ohne Eier zu zerschlagen, und die Untersuchung dieser Situationen würde die IDF zwingen, die vertraulichen Details ihrer Operationen preiszugeben. Außerdem war er es auch, der nach israelischem Recht den Bau der "Trennungsmauer" genehmigte, die der IGH für illegal erklärte.

Der Gerichtshof lehnte vier der sechs vorläufigen Maßnahmen ab. Er wandte sich gegen die allgemeine Anordnung, alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Begehung eines Völkermords zu verhindern, sowie gegen die Anordnung, Beweise für mögliche Völkermordakte zu sichern, und gegen die Verpflichtung Israels, über seine Methoden zu berichten. Darüber hinaus sprach er sich gegen jede Einschränkung der IDF-Aktionen aus. Er akzeptierte jedoch, dass Israel seine Politiker daran hindert, zum Völkermord aufzurufen, und dass es den Palästinensern humanitäre Hilfe leistet.

Die andere Richterin, die sich dem Gericht widersetzte, war die Uganderin Julia Sebutinde. Für sie ist der israelisch-palästinensische Konflikt politisch und kann nicht vor Gericht beurteilt werden. Da gemäß ihrer Interpretation Südafrika vor allem nicht bewiesen habe, dass die von Israel begangenen Handlungen von einer völkermörderischen Absicht begleitet gewesen seien, habe Südafrika mithin nicht bewiesen, dass die beantragten vorläufigen Maßnahmen erforderlich seien. Da aber die Hamas nicht an diesem Verfahren beteiligt ist, wäre es unrealistisch, einer der Kriegsparteien Grenzen aufzuerlegen, der anderen aber nicht.

Lassen Sie uns zunächst feststellen, dass niemand den Gerichtshof gebeten hat, über den israelisch-palästinensischen Konflikt zu urteilen, und dass das Völkerrecht nichts mit Politik zu tun hat. Es sollte auch darauf hingewiesen werden, dass Südafrika davon abgesehen hat, Israel der völkermörderischen Absicht zu beschuldigen, aber genügend völkermörderische Äußerungen israelischer Führer zitiert hat, um Vorsichtsmaßnahmen zu fordern; ein Argument, das der israelische Richter für stichhaltig hielt. Kommen wir zum Schluss noch zum letzten Punkt: Die Abwesenheit der Hamas kann Israel nicht dazu ermächtigen, Völkermord zuzulassen.

Julia Sebutindes Position lässt Zweifel an ihren früheren Positionen am Sondergerichtshof für Sierra Leone aufkommen. Adonia Ayebare, Ständige Vertreterin Ugandas bei den Vereinten Nationen, sagte: "Die Entscheidung von Richter Sebutinde vor dem Internationalen Gerichtshof stellt nicht die Position der ugandischen Regierung zur Situation in Palästina dar. Sie hat bereits gegen Ugandas Klage in Bezug auf die Demokratische Republik Kongo (DRK) gestimmt."

Die Tatsache, dass die Argumentation von Richterin Sebutinde abstrus ist und dass sie von ihrer eigenen Regierung desavouiert wird, deutet darauf hin, dass sie bestochen worden sein könnte.

Das Gericht entschied nicht über die anderen Forderungen Südafrikas, die nicht als Dringlichkeitsfrage angesehen werden konnten, sondern ausschließlich über „die Sache selbst“: Reparationen für palästinensische Opfer und Israels Verurteilung von Personen, die sich des Völkermordes schuldig gemacht haben. Vor allem sagte das Gericht nicht, dass "der israelische Staat seine Militäroperationen in und gegen Gaza sofort einstellen muss".

Dieser Beschluss steht im Einklang mit dem der Rechtssache Gambia gegen Myanmar. Er erlässt die gleichen vorläufigen Maßnahmen, um den Völkermord an den Rohingya zu stoppen. Aber er ist nicht mit dem Fall Ukraine gegen die Russische Föderation zu vergleichen, da es bei letzterem nicht um einen Völkermord der Ukrainer durch die Russen geht, sondern darum, dass Russland das Argument eines Völkermords der eigenen russischsprachigen Bevölkerung der Ukraine vorwirft.

Die einstweilige Verfügung greift dem Sachurteil nicht vor

Der Beschluss des Gerichts ist nicht nur für Israel und Südafrika bindend, sondern auch für die anderen 151 Staaten, die die Konvention zur Verhütung und Bestrafung des Völkermordes unterzeichnet haben. Je nach Situation ist jeder von ihnen verpflichtet, sich an den Vorsichtsmaßnahmen zu beteiligen. Einige mögen es als Rechtfertigung für ein Waffenembargo interpretieren oder für ihre Doppelstaatsbürger, als Teilnahmeverbot an diesem potenziell völkermörderischen Krieg.

Algerien hat bereits eine Sitzung des Sicherheitsrats am 31. Januar beantragt, um die vollstreckbaren Wirkungen des Urteils des Gerichtshofs zu klären. Es ist natürlich unwahrscheinlich, dass es Israel mit einer militärischen Intervention drohen würde, aber es könnte zum Beispiel ein Waffenembargo beschließen.

Diese gerichtliche Anordnung wird jedenfalls vor anderen Gerichten, in Übereinstimmung mit dem angelsächsischen Recht zitiert. So gibt es bereits einen Fall vor dem nordkalifornischen Bezirksgericht zwischen Defense for Children International und Joe Biden, Antony Blinken und Lloyd Austin und einen weiteren in London, zwischen dem Global Legal Action Network und der britischen Regierung. Beide gehen davon aus, dass die Waffenlieferungen an Israel zu diesem Zeitpunkt eine Beteiligung am Massaker in Gaza darstellen. Sie haben ab jetzt die Möglichkeit, erfolgreich zu sein.

Diese gerichtliche Anordnung könnte auch vor den Internationalen Strafgerichtshof gebracht werden, der aufgefordert werden könnte, bestimmte israelische Führer vor Gericht zu stellen. Mehrere Staaten haben sich des Themas bereits angenommen.

Im Übrigen gilt diese gerichtliche Verfügung nur vorsorglich, bis es zu ihrer grundlegenden Entscheidung kommt. Wir dürfen jedoch nicht träumen: Der Gerichtshof kann ausweichen und sich für unzuständig erklären. In diesem Fall wird es nie zu einem Urteil in der Sache kommen und die Sicherungsmaßnahmen werden hinfällig werden.

Dies ist das wahrscheinlichste Ergebnis. Das Gericht selbst hat jedoch bereits das Argument zurückgewiesen, dass Südafrikas frühere Herangehensweisen Israel keine Zeit für eine Reaktion gegeben hätten. Südafrika könnte immer noch auf „Absichten zum Völkermord" insistieren. Für den Fall, dass die Beschwerde als unzulässig erachtet wird. Die Frage nach einem Massaker könnte wieder aufgenommen werden.

Wir sollten uns keine Illusionen über den Internationalen Gerichtshof machen. Es ist ein großer Schritt in Richtung Völkerrecht, aber es ist noch weit bis zur Vollendung.

Übersetzung
Horst Frohlich
Korrekturlesen : Werner Leuthäusser