Dragan Vujičić: Die Aggression gegen die Bundesrepublik Jugoslawien und die Berichterstattung über diesen Krieg waren auch ein Wendepunkt in Ihrem Leben. Was hat Sie dazu bewogen, die westlichen Mainstream-Medien zu verlassen?

Thierry Meyssan: Während des Krieges habe ich ein tägliches Bulletin herausgegeben. Ich verglich die Pressekonferenzen der NATO mit den Depeschen der Nachrichtenagenturen auf dem Balkan. Das waren zwei Geschichten, die im Laufe der Zeit immer unterschiedlicher wurden. Ich konnte mir nicht erklären, warum alle lokalen Nachrichtenagenturen über eine Geschichte berichteten, während die internationalen Agenturen über eine andere berichteten. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.

Sobald der Krieg zu Ende war, sahen meine Freunde, die dorthin gingen, sofort, dass die Nachrichtenagenturen auf dem Balkan die Wahrheit erzählten, während die westlichen Medien ihr Narrativ erfunden hatten.

Ich hatte erwartet, dass eine Seite mehr schwurbeln würde als die andere, aber in Wirklichkeit hat nur eine Seite gelogen: die NATO.

Ich habe die Medien dennoch nicht verlassen, aber ich habe studiert, wie die Briten seit einem Jahrhundert Informationen fälschen. Ich lernte, unabhängig von ihnen zu denken.

Dragan Vujičić: Was haben Sie 1999 in Serbien gesehen? Welche Erinnerungen haben Sie von Rambouillet?

Thierry Meyssan: Serbien war ein Fall wie aus dem Lehrbuch. Der Westen hatte beschlossen, das, was von Jugoslawien übrig geblieben war, abzuschaffen. Diplomaten gaben vor, über Frieden zu verhandeln, aber sie dienten Interessen, die bereits über Krieg entschieden hatten. Es ging darum, ein Narrativ vorzubereiten, laut dem sie Pazifisten wären, aber gezwungen sind, gegen ihren Willen Kriege gegen autoritäre Regime zu führen.

Dragan Vujičić: Vor laufenden Kameras haben Sie die Auswanderung von Albanern aus dem Kosovo und Metochien als einen der größten Schauplätze und Betrügereien des Krieges bezeichnet. Operationen unter falscher Flagge? Können Sie ein paar aufzählen, die Ihrer Meinung nach am tödlichsten waren?

Thierry Meyssan: Der Exodus der Albaner, in einer Schlange auf Bahngleisen, war eine Tragödie, die wir alle betrauerten. Wir verstanden nicht, was los war. Wir erinnerten uns nur an die Bilder des Zweiten Weltkriegs. Als wir erfuhren, dass sie vor der Repression von Slobodan Milošević flohen, glaubten wir es. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass sie nicht vor irgendetwas flohen, sondern nach Makedonien hineingesaugt worden waren.

Erst im Jahr 2008 begann Kelly Greenhill, über die Theorie der Migration als Waffe zu publizieren. Und 2012 wurde ich Zeuge des gleichen Phänomens, diesmal in Syrien: Die Türkei lud sunnitische Syrer im Norden des Landes ein, vor den Kämpfen mit den Dschihadisten zu fliehen und über die Grenze Zuflucht zu suchen. Die NATO hat damit eine ganze Bevölkerung abgesaugt, die nicht in der Lage war, ihr Land zu verteidigen. Dann, im Jahr 2015, flohen Millionen Venezolaner. Nochmals, es gab kein Problem für die Migranten vor ihrer Migration, es war ihre Migration, die das Problem für sie und für ihr Land geschaffen hat.

Es ist alles nur eine gewaltige Manipulation.

Dragan Vujičić: Sie haben nach dem 11. September 2001 einen persönlichen Krieg für die Wahrheit begonnen. Kurz gesagt, was haben Sie entdeckt und glauben Sie, dass Trump in der neuen Amtszeit wirklich auf Ihrer Seite sein könnte?

Thierry Meyssan: Die offizielle Version der Anschläge vom 11. September hat weder Kopf noch Fuß. Die Türme stürzten schneller in sich zusammen, als ein Baustein fallen sollte. Explosionen wurden von Feuerwehrleuten gehört und alle fünf Stockwerke gefilmt. Das Material zerstreute sich zu Staub, so dass es kaum Trümmer gab. Das Gestein der Fundamente schmolz wie bei einer vulkanischen Explosion. Ein dritter Turm [WTC 7] stürzte [ohne einen Flugzeugeinschlag] am Nachmittag ein. In Pennsylvania ist ein Flugzeug verschwunden. Im Pentagon kam es zu einer Explosion, aber das Flugzeug, das sie verursachte, wurde nie gefunden, da es durch eine Tür eindrang, ohne den Türrahmen zu beschädigen. Etc...

Diese Attentate waren eine riesige und grausame Show, die 3000 Menschen das Leben kostete, über die wir aber dreist belogen werden. Das FBI zeigte 2013, dass die Aussage des Generalstaatsanwalts, er habe mit seiner Frau in einem entführten Flugzeug telefoniert, eine Lüge war. Es gab [damals] noch keine Telefongespräche mit Passagieren in diesen 4 Flugzeugen. Die Ermittlungszelle des Verteidigungssekretariats zeigte im Jahr 2023, dass zwei der mutmaßlichen Entführer (von denen keiner auf den Boarding-Listen der 4 Flugzeuge steht) CIA-Agenten waren.

Doch niemand reagiert.

Mit Ausnahme von Donald Trump, der am Nachmittag des 11. September seine Empörung über die offizielle Version der Ereignisse auf New York One zum Ausdruck gebracht hatte, die er sofort als lächerlich eingeschätzt hatte. Anschließend wechselte er in die Politik. Heute spricht er den 9/11-Skandal bei jeder seiner Wahlkampfveranstaltungen an. Vielleicht gelingt es ihm, dieses Problem zu lösen, auch wenn es ihm in seiner ersten Amtszeit nicht gelungen ist.

Dragan Vujičić: Der Völkermord in Srebrenica ist "verurteilt" worden, der Völkermord in Gaza aber nicht. Wie sehen Sie diese Völkermorde?

Thierry Meyssan: Wir betrachten Massaker nicht auf die gleiche Weise, je nachdem, wer die Henker sind. Westliche Staats- und Regierungschefs verurteilen das von Srebrenica, aber nicht das von Gaza.

Ich denke an das Nürnberger Tribunal. Es hatte postuliert, dass das höchste Verbrechen kein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist, sondern ein Verbrechen gegen den Frieden. Letzteres ist es also, das die Bedingungen für die Begehung des Letzteren schafft.

In Serbien wurden diejenigen, die den Krieg planten, nie vor Gericht gestellt, sondern nur diejenigen, die ihn ausführten. Das Gleiche geschieht heute vor uns in der Ukraine. Angela Merkel und François Hollande, die für die Minsker Vereinbarungen gebürgt hatten, brüsteten sich damit, dass sie sie nur unterzeichnet hätten, um Zeit zu gewinnen, sich auf den aktuellen Krieg vorzubereiten. Sie sind die wahren Schuldigen.

Dragan Vujičić: Vor der Ukraine, während des Krieges in Kroatien, tauchten zum ersten Mal Nazi-Abzeichen auf Uniformen und in der kroatischen Armee auf. Weder damals noch heute, in der Ukraine, ignorierte oder begrüßte der Westen das. Warum ist der Nationalsozialismus dem kollektiven Westen so teuer?

Thierry Meyssan: Die Angelsachsen haben den Zweiten Weltkrieg nie beendet. Nach der Niederlage der Nazis kämpften sie gegen die Sowjets, diesmal mit Hilfe einiger Nazis. Sie haben nie aufgehört sie heimlich während des Kalten Krieges zu benutzen. Sie, die Nazis, aber auch alle ihre Verbündeten, wie die Banderisten oder die Ustascha. Wir konnten es sehen, aber wir zogen es vor, die Augen zu schließen.

Als die Sowjetunion aufgelöst wurde, traten die Nazis aus dem Schatten, zuerst in Kroatien und dann in ganz Europa, insbesondere in Lettland.

2019 nutzten die Briten die Ustascha, deren Eltern nach Lateinamerika geflohen waren, um Evo Morales in Bolivien zu stürzen und durch Jeanine Áñez zu ersetzen.

Dragan Vujičić: Im Krieg im Nahen Osten gibt es keine Nazi-Symbole, aber es gibt den Nazismus. Wie ist es möglich, dass die Welt nicht bemerkt, dass die [relative] Zahl der palästinensischen zivilen Opfer doppelt so hoch ist wie die der Deutschen, Italiener oder Japaner im Zweiten Weltkrieg?

Thierry Meyssan: Die Menschen in den entwickelten Gesellschaften sehen nicht dasselbe. Einige schauen Fernsehen, das ihnen nur Informationen gibt, die für Israel günstig sind, andere beziehen ihre Informationen aus dem Internet und sozialen Netzwerken. Sie können das Massaker, dessen Zeuge sie werden, nicht ertragen.

Niemand im Westen weiß, dass Benjamin Netanjahus jüdische Rassisten eine gemeinsame Geschichte mit den ukrainischen Banderisten, den Straussianern in den USA und der Muslimbruderschaft der Hamas haben. Netanjahus Idol ist der ukrainische Faschist Wladimir Zejew Jabotinski, für den sein Vater Privatsekretär war. 1922 ging Jabotinsky ein Bündnis mit Symon Petljura und Dmytro Donzow ein. Als diese Leute Zehntausende von Juden massakrierten, verlangte die Zionistische Weltorganisation eine Erklärung von Jabotinsky, der einer ihrer Verwalter war. Er weigerte sich zu antworten und schlug die Tür zu. Dmytro Donzov wurde Stephan Banderas Mentor. Vor dem Zweiten Weltkrieg schlossen diese Leute ein Bündnis mit den Nazis. Während des Krieges wurde Donzow Treuhänder des Reinhard-Heydrich-Instituts. Er war einer der etwa 20 Personen, die die "Endlösung der Juden- und Zigeunerfrage" beaufsichtigten. Nach dem Krieg arbeitete Bandera mit der Muslimbruderschaft bei Radio Free Europe in München. Jabotinsky seinerseits hatte sich mit Benito Mussolini verbündet. Er hatte eine faschistische Miliz, die Betar, unter der Schirmherrschaft des Duce geschaffen. Zu Beginn des Weltkriegs empfingen Wladimir Jabotinski und Benzion Netanjahu den neokonservativen Philosophen Leo Strauss in New York. Ihre Anhänger kämpften gegen die Briten. Nach dem Krieg sprengten sie das britische Hauptquartier in Palästina in die Luft, ermordeten den britischen Kolonialminister und den Sondergesandten der Vereinten Nationen, Graf Folke Bernadotte. Die Muslimbruderschaft ihrerseits gründete 1987 einen palästinensischen Ableger, die Hamas. Wahrscheinlich waren es die Anhänger von Leo Strauss, die die Anschläge vom 11. September organisierten.

Alle diese Leute kennen sich, teilen die gleichen Ideen und arbeiten zusammen. Sie kümmern sich nicht um Juden und Muslime, Serben und Kroaten. Sie haben keine anderen Ambitionen als politische Macht und nehmen keine Rücksicht auf Menschenleben.

Dragan Vujičić: Haben sich die westlichen Länder, nach der Empfehlung des Internationalen Gerichtshofs, dem Völkermord Israels an den Palästinensern angeschlossen, indem sie sich weigern, Zivilisten zu unterstützen?

Thierry Meyssan: Der Internationale Gerichtshof hat sich auf die Seite des US-Außenministeriums gestellt. Er forderte Israel auf, keinen Völkermord zu begehen, verbot ihm dies aber nicht.

Der Westen hat sich auf die Seite des Weißen Hauses gestellt. Er sieht zu, wie die Palästinenser sterben, ohne mit der Wimper zu zucken. Er entzog der UNRWA ihre Finanzierung, damit sie verhungern, ohne abgeschlachtet werden zu müssen. Um Verwirrung zu stiften, machten die westlichen Medien allein die Hamas für die Operation vom 7. Oktober verantwortlich. Das ist nicht wahr. Auch der Islamische Dschihad und die marxistische PFLP nahmen daran teil. Dies war die erste gemeinsame Aktion der verschiedenen Fraktionen des palästinensischen Widerstands seit fünfzehn Jahren.

Es ist schwer zu verstehen, aber die Hamas ist zweigeteilt: auf der einen Seite die Führer, die loyal zu den Muslimbrüdern und den Angelsachsen stehen, auf der anderen Seite diejenigen, die sich dem palästinensischen Widerstand angeschlossen haben. Erstere kämpften mit den Israelis gegen die Arabische Republik Syrien, während Letztere sich im vergangenen Jahr mit Präsident Basher al-Assad versöhnten.

Benjamin Netanjahu wusste mindestens ein Jahr im Voraus, dass die Hamas die Operation am 7. Oktober vorbereitete. Er hat nicht nur nichts unternommen, um dies zu verhindern, sondern im Sommer auch seinen Verteidigungsminister gefeuert, weil er zu viele Fragen gestellt hatte. Am 6. Oktober erlaubte Netanjahu den Männern, die die Grenze zum Gazastreifen bewachten, ihre Posten zu verlassen und zu gehen, um einen religiösen Feiertag zu feiern. Offensichtlich organisierten die historische Hamas-Strömung und Benjamin Netanjahu gemeinsam den Anschlag vom 7. Oktober, dessen Hauptopfer die jüdische Opposition der Kibbuz war.

Dragan Vujičić: Die Ordnung der Rechte und die Ordnung der Regeln. Wir Serben hoffen, dass im neuen Justizsystem die Fehler korrigiert werden, angefangen mit der Aggression der NATO gegen uns. Sind wir naiv?

Thierry Meyssan: Ich glaube nicht, dass wir jemals in der Lage sein werden, unsere Verbrechen wiedergutzumachen. Allenfalls können wir endlich eine Welt aufbauen, die auf dem Gesetz basiert. Das war schon vor dem Ersten Weltkrieg das Ziel von Zar Nikolaus II. und dem Franzosen Léon Bourgeois (Friedensnobelpreis). Das ist es, was Präsident Wladimir Putin jetzt anstrebt: eine Welt, in der jeder seine eigene Handschrift respektiert und der öffentlichen Meinung Rechenschaft über sein Handeln ablegen muss.

Dragan Vujičić: Nürnberg 2. Wie weit ist es entfernt?

Thierry Meyssan: Nürnberg war nur möglich, weil es das Ende des Weltkriegs war. Darüber hinaus ist es diesem Gericht gelungen, die Verbrechen einiger dieser Kriminellen aufzudecken, aber nur wenige vor Gericht gestellt, während die CIA und der MI6 viele von ihnen wiederverwendet haben. Dasselbe geschah mit dem Tokioter Hof und den japanischen Imperialisten.

Die Welt organisieren. Die Garantie des Friedens scheint mir wichtiger zu sein als Rache.

Dragan Vujičić: Heute sind Sie in Damaskus. Gibt es dort Freiheit für den Journalismus?

Thierry Meyssan: Ich bin nicht mehr in Damaskus. Ich bin meiner Familie näher gekommen. Übrigens, ja, Syrien ist frei und Journalisten können dort ihre Arbeit machen. Aber dieses Land ist zerstört. Die Vereinigten Staaten verbieten ihm, mit seinen Nachbarn Handel zu treiben. Sie wollen nicht, dass es wirtschaftlich wieder auf die Beine kommt, damit sie ihre militärische Niederlage nicht eingestehen müssen.

Dragan Vujičić: Zum dritten Mal in Folge, im Jahr 2024, wurden Sie heute zum einflussreichsten geopolitischen Analysten gekürt. Herzlichen Glückwunsch. Aber ist es heutzutage tragbar?

Thierry Meyssan: Die heutige Welt ist grausam und gefährlich. Wir sind Zeugen von Kriegen in der Ukraine und im Gazastreifen. Aber die Männer leiden im Sudan und in Haiti genauso sehr. Wir werden keinen Frieden kennen, solange wir weiter lügen.

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