Dieser Artikel folgt: „Palastrevolution in Riyad“ von Thierry Meyssan, Voltaire Netzwerk, 8. November 2017.

Präsident Macron (hier mit "MBS") ist nicht allein schuld an der durch den König von Saudi-Arabien verhängten Demütigung. Er bezahlt nicht nur die Verbrechen seiner Vorgänger, sondern auch seine Unfähigkeit, eine neue Politik im Nahen Osten einzuführen.

Der Rücktritt des sunnitischen libanesischen Ministerpräsidenten und seine anti-persische Fernsehansprache haben den in seinem Land erwarteten Konflikt nicht ausgelöst. Noch ärger ist, dass sein ewiger Gegner, der schiitische Sayyed Hassan Nasrallah, Generalsekretär der Hisbollah, sich den Luxus leistete, dessen Verteidigung zu ergreifen, indem er offenbarte, dass er Gefangener von Riyad wäre und dass er die saudische Einmischung in das libanesische politische Leben anprangerte. Kurz darauf begann die religiöse Gemeinschaft von Hariri sich um ihren Führer Sorgen zu machen. Der Präsident der Republik, der Christ Michel Aoun, hat den Vorgang als "Entführung" angeprangert und sich geweigert, diesen erzwungenen Rücktritt zu akzeptieren, solange sein Premierminister ihm nicht persönlich den Rücktritt angeboten hätte. Während manche Politiker der „Zukunftsbewegung“, der Partei von Rafik Hariri, behaupteten, dass er frei und bei guter Gesundheit wäre, verlangten praktisch alle Libanesen seine Befreiung. Alle haben verstanden, dass die kurze Reise von Saad Hariri in die Vereinigten Arabischen Emirate und seine wenigen öffentlichen Auftritte nur blauer Dunst sei, weil seine Familie im Ritz-Carlton Hotel von Riyad doch als Geiseln mit Hunderten anderen verhafteten Menschen festgehalten wurden. In ähnlicher Weise haben alle anerkannt, dass sich Michel Aoun durch seine momentane Ablehnung des Rücktritts des Premierministers als Staatsmann verhielt, und damit die einzige Möglichkeit aufrecht erhielt, um möglicherweise seine Freilassung zu erreichen.

Frankreich ist die ehemalige Kolonialmacht des Libanon, den sie bis zum zweiten Weltkrieg besetzt hat. Seit langem hatte Frankreich dort das Sagen. Heute benutzt es den Libanon als Informationsbasis und als Steueroase in der Levante. Libanesische Persönlichkeiten waren an allen Skandalen der letzten dreißig Jahre in Frankreich beteiligt.

Präsident Emmanuel Macron berief sich - als Beschützer des Libanon handelnd – auf die Notwendigkeit der Rückkehr des Premierministers.

Als er den Zufälligkeiten des Kalenders geschuldet am 9. November nach Abu Dhabi reiste, um dort den "Louvre des Sandes" einzuweihen, konnte er nicht umhin, diese Initiative zu ergreifen. Nun hatte Präsident Macron in seiner Nachfolge von "Jacques Chirac dem Araber", "Nicolas Sarkozy dem Katari" und "François Hollande dem Saudi", jedoch während seiner Wahlkampagne alles Schlechte gesagt, was er von Doha und Riyad dachte. Obwohl er keine Sympathie für den Golf empfand, hatte er sich in Ermangelung eines Besseren den Emiratis genähert.

Der Elysée-Palast versuchte für Emmanuel Macron einen Stopp in Riyad zu organisieren, um Saad Hariri nach Hause zu bringen. Aber König Salman weigerte sich, den kleinen Franzosen zu empfangen.

Aus Sicht des Golfkooperationsrates (d. h. von allen arabischen Staaten dieser Region) war Frankreich in den letzten sieben Jahren ein sicherer Verbündeter gegen Libyen und Syrien. Es beteiligte sich militärisch - öffentlich oder heimlich - an allen bösen Vorgehensweisen gegen diese beiden Länder und bot einen diplomatischen Schirm und den für diese Angriffe notwendigen besänftigenden Diskurs. Während Libyen vom Chaos heimgesucht wird und Syrien, allen Widrigkeiten zum Trotz dabei ist, den Krieg zu gewinnen, ist Frankreich jedoch in der Tat hilf- und regungslos. Der neue Gast im Elysee, Emmanuel Macron, weiß ja nichts von dieser Region und schwankt von einem Tag zum anderen, von der Anerkennung der Republik Syrien, zur Beleidigung seines gewählten Präsidenten. Im Übrigen haben Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate den Aufruf von Präsident Macron zu einer Deeskalation mit Katar sehr schlecht aufgenommen. Für sie, die um die Anstrengungen wissen, um mit den Dschihadisten zu brechen, ist es inakzeptabel, die Unterstützung der Terroristen durch Doha zu tolerieren.

Die Einweihung des "Louvre des Sandes“ war die Gelegenheit für eine schöne Rede über die Kultur, die uns verbindet; eine Show, in die das seit langem zwischen den beiden Staaten beschlossene Paket von $ 1 Milliarden einbezogen war. Nach Abschluss dieser Formalität befragte Präsident Macron seinen Gastgeber, Scheich Mohammed Ben Zayed, was im benachbarten Saudi-Arabien vorgehe und wie das Schicksal von Saad Hariri wäre.

Im Gegensatz zu den Beduinen von Saudi-Arabien und Katar sind die Emiratis ein Fischervolk. Die Ersteren lebten jahrhundertelang in ihrer Wüste, die Letzteren durchstreiften die Meere. Wegen dieser Besonderheit waren die Emiratis während der britischen Kolonisation an das indische Reich angeschlossen worden, und hingen nicht direkt von London sondern von Delhi ab. Heute haben sie ihre Öleinkünfte durch den Kauf von etwa 60 Häfen in 25 Ländern (darunter Marseille in Frankreich, Rotterdam in den Niederlanden, London und Southampton in Großbritannien) angelegt. Diese Aufstellung ermöglicht ihren Geheimdiensten, alle Ihnen beliebigen Personen in diese Länder ein- und ausreisen zu lassen, trotz lokaler Zollkontrollen; ein Dienst, den sie an andere Staaten verkaufen. Dank der US-Sanktionen gegen Teheran wurde der Hafen von Dubai de facto das Tor des Iran, und kassierte riesige Gewinne, weil gegen das US-Embargo verstoßen wurde. Deshalb hat Abu Dhabi ein vitales wirtschaftliches Interesse an der Förderung des arabisch-persischen Streites, auch wenn die VAE auf die in ihren Augen vom Iran "besetzten" Inseln, Bu-Musa und Tonb, Anspruch erheben.

Es ist kein Geheimnis, dass Scheich Mohammed Ben Zayed einen starken Einfluss auf den Saudi-Kronprinz Mohammed Ben Salman ("MBS") ausübt. So rief er noch vor Präsident Macron „MBS“ für eine Verabredung an.

Der (39 alte) Franzose hielt also in Riyad auf dem Rückweg an. Er wurde von "MBS" (32) am Flughafen begrüßt und speiste mit ihm zu Abend.

In der Nacht vom 4. zum 5. November hat "MBS" der kollegialen Regierung der Saud-Dynastie ein Ende gesetzt und die persönliche Macht seines Vaters, König Salman, eingeführt. Zu diesem Zweck lässt er die Führer der anderen Clans der königlichen Familie und die ihnen ergebenen Prediger und Imame verhaften oder ermorden, d.h. rund 2400 Persönlichkeiten. Die israelischen Spin-Doktoren haben diese Palastrevolte als eine anti-Korruptions-Operation dargestellt.

Im Gegensatz zu seinen Annahmen hatte der französische Präsident Nichts erreicht. Er brachte den immer noch libanesischen Ministerpräsident nicht nach Hause, und hat ihn nicht einmal getroffen. Viel schwerwiegender, "MBS" begleitete ihn wieder zu seinem Flugzeug zurück - vorgebend von seinen schwerwiegenden Verpflichtungen in Paris überzeugt zu sein.

Möglicherweise ist die unglaublich grobe Beleidigung Emmanuel Macron‘s nicht für alle erkennbar: der französische Präsident wurde nicht von seinem Amtskollegen, dem König von Saudi-Arabien, empfangen, obwohl dieser in den letzten Tagen allen möglichen zweitrangigen Personen jede Menge Audienzen gewährt hatte.

Dieses rüpelhafte Benehmen, charakteristisch für die Art und Weise der arabischen Diplomatie, kam nicht nur von "MBS" sondern auch von Scheich Mohammed Ben Zayed, der sehr gut wusste, was zu erwarten war, als er den jungen Franzosen nach Riyad schickte, um sich dort erniedrigen zu lassen.

Fazit: Frankreich hat sich selbst aus der Region verbannt, da es sich nicht sofort nach Donald Trumps Anti-Terror-Rede im Mai letzten Jahres der Wende von Saudi- Arabien angepasst und stattdessen zwei Eisen im Feuer behalten hat. Die Vereinigten Arabischen Emirate schätzen den Louvre und die Korvetten der französischen Marine, aber sie nehmen die Franzosen nicht mehr ernst. Die Saudis erinnern sich an die Worte des Kandidaten Macron gegen sie und jene des Präsidenten Macron zugunsten Katars, des aktuellen Sponsors der Muslim-Bruderschaft. Sie machten ihm klar, dass er sich nicht in die Golf-Probleme einmischen sollte, weder in die Thronfolge der Saud, und noch weniger in den Streit gegen den Iran und vor allem nicht in die Libanon-Konflikte.

Frankreich ist im Nahen Osten ein Fremder geworden.

Übersetzung
Horst Frohlich
Korrekturlesen : Werner Leuthäusser