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 Vídeo : «Thierry Meyssan : El plan de Estados Unidos contra America latina» (entrevista con Russia Today), 22 de Mayo de 2017.
 „Die Vereinigten Staaten bereiten einen Krieg zwischen Lateinamerikanern vor“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Korrekturlesen : Werner Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 18. Dezember 2018.
 „Die USA schaffen die Voraussetzungen für eine Invasion von Venezuela“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Amerika21.de (Deutschland) , Voltaire Netzwerk, 29. Januar 2019.

Heute ist Venezuela zwischen zwei Legitimitäten gespalten, die des verfassungsmäßigen Präsidenten Nicolas Maduro und die des Präsidenten der Nationalversammlung, Juan Guaidó.

Letzterer hat sich selbst zum Übergangs-Präsidenten proklamiert, angeblich gemäß der Artikel 223 und 233 der Verfassung. Es genügt diese Artikel zu lesen, um festzustellen, dass sie in seinem Fall nicht gelten und dass er die Rechtschaffenheit für die Funktion daraus nicht ziehen kann, wie er behauptet. Er wird jedoch in dieser usurpierten Funktion von den Vereinigten Staaten, der Lima-Gruppe und einem Teil der Europäischen Union anerkannt.

Einige Befürworter von Nicolas Maduro versichern, dass Washington wieder den Sturz einer linksgerichteten Regierung inszeniert, nach dem gegen Salvador Allende im Jahr 1973 angewandten Modell, zur Zeit von Präsident Richard Nixon.

Andere, die auf die Enthüllungen von Max Blumenthal und Dan Cohen der Karriere von Juan Guaidó reagieren [1], denken stattdessen, dass es sich um eine Farben-Revolution handle, wie man sie unter der Präsidentschaft von George W. Bush erlebt hat.

Allerdings ist es bei einem Angriff eines viel stärkeren Feindes entscheidend, dessen Ziele zu identifizieren und dessen Methoden zu verstehen. Nur jene die fähig sind, die Schläge vorauszusehen, die sie erhalten werden, haben eine Chance zu überleben.

Drei vorherrschende Hypothesen

Es ist ganz logisch für Lateinamerikaner, dass, was sie erleben mit dem zu vergleichen, was sie schon mit dem chilenischen Putsch von 1973 erlebt haben. Aber es wäre für Washington riskant, 46 Jahre später das gleiche Spiel in Szene zu setzen; Es wäre ein Fehler, weil jedermann heute die Details von diesem Betrug kennt.

Ebenso deutet die Enthüllung der Verbindungen von Juan Guaidó mit der National Endowment for Democracy und dem Team von Gene Sharp vor allem auf eine Farben-Revolution hin, die Venezuela schon im Jahr 2007 erlebt hat, die aber versagte. Aber gerade deshalb wäre es für Washington riskant, 12 Jahre später wieder einen Plan versuchen zu spielen, der schon versagt hat.

Um die Absichten von Washington zu verstehen, müssen wir zuerst seinen Schlachtplan kennen.

Am 29. Oktober 2001, das heißt, eineinhalb Monate nach den Anschlägen auf New York und das Pentagon, erstellte der US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld das Amt der Umgestaltung der Streitkräfte (Office of Force Transformation), dessen Aufgabe war, die US-Streitkräfte zu revolutionieren, ihre Mentalität zu ändern, um einer radikal neuen Ausrichtung gerecht zu werden, die den USA ihre Vormachtstellung in der Welt sicherte. Er vertraute diese Arbeit Admiral Arthur Cebrowski an, der bereits die digitale Vernetzung der militärischen Einheiten eingeleitet hatte und der in den 1990er Jahren an der Entwicklung einer Doktrin für den vernetzten Krieg (Network-centric Warfare) teilgenommen hatte [2].

Cebrowski kam mit einer im Voraus ausgearbeiteten Strategie, die er nicht nur im Pentagon, sondern überall in den Militärakademien vorstellte. Obwohl seine Arbeit innerhalb der Streitkräfte sehr wichtig war, wurde sie nicht öffentlich bekannt, bis ein Artikel in der Vanity Fair erschien. Anschließend wurde seine Arbeit von seinem Assistenten Thomas Barnett veröffentlicht [3]. Es versteht sich von selbst, dass diese Dokumente nicht unbedingt dem Gedanken des Pentagons entsprechen, dass sie ihn nicht zu erklären versuchen, sondern ihn rechtfertigen. Jedenfalls ist die Grundidee die, dass die Vereinigten Staaten die Kontrolle über die Hälfte der weltweiten natürlichen Ressourcen übernehmen werden, nicht um sie selbst zu verwenden sondern zu entscheiden, wer sie nutzen dürfen wird. Um das zu tun, müssen sie diese Regionen jeglicher politischen Macht außer der Ihrigen berauben, und daher alle dort befindlichen staatlichen Strukturen zerstören.

Diese Strategie ist offiziell nie umgesetzt worden. Dennoch, was wir seit zwanzig Jahren sehen, stimmt sie genau mit dem Buch von Barnett überein. Zuerst, in den 80er und 90er Jahren, war es die Zerstörung der afrikanischen Region der "Großen Seen". Wir haben davon nur den Völkermord in Ruanda und seine 900 000 Toten in Erinnerung, aber die ganze Region ist in einer langen Serie von Kriegen zerstört worden, die insgesamt 6 Millionen Tote machten. Überraschend ist, dass 20 Jahre später, viele Staaten in dem gesamten Gebiet ihre Souveränität noch immer nicht wiedergefunden haben. Diese Episode ist jedoch älter als die Rumsfeld-Cebrowski-Doktrin. Daher wissen wir nicht, ob das Pentagon geplant hatte, was da passiert war, oder ob es bei der Zerstörung dieser Staaten diesen seinen Plan entworfen hat. Später, in den Jahren 2000-10, kam die Zerstörung des "Erweiterten Nahen Osten", diesmal gemäß der Rumsfeld-Cebrowski Lehre. Natürlich kann man glauben, dass es sich um eine Reihe von "demokratischen" Interventionen, Bürgerkriegen und Revolutionen gehandelt habe. Aber abgesehen davon, dass die betroffenen Bevölkerungen die dominante Erzählung dieser Ereignisse abstreiten, stellen wir auch hier wieder fest, dass die staatlichen Strukturen zerstört werden, und der Frieden mit dem Ende der militärischen Operationen nicht zurückkommt. Nun evakuiert das Pentagon den "Erweiterten Nahen Osten" und bereitet seinen Einsatz im "Karibik-Becken" vor.

Viele Elemente bescheinigen, dass unser bisheriges Verständnis der Bush- und Barack Obama-Kriege falsch war, obwohl sie perfekt mit der Rumsfeld-Cebrowski Lehre übereinstimmten. Diese Auslegung der Ereignisse ist also nicht die Frucht einer Koinzidenz mit der These von Barnett und zwingt uns zu überdenken, was wir gesehen haben.

Wenn wir diese Art des Denkens annehmen, müssen wir bedenken, dass der Zerstörungsprozess des Karibik-Beckens mit dem Dekret von Präsident Barack Obama am 9. März 2015 begonnen hat, wonach Venezuela die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika bedrohte [4]. Das klingt ziemlich alt, aber ist es nicht in der Realität. Präsident Bush hat doch den Syrian Accountabilit Act im Jahr 2003 unterzeichnet, aber die militärischen Operationen in Syrien erst 8 Jahre später, im Jahr 2011, begonnen. Washington brauchte diese Zeit, um die Voraussetzungen für die Unruhen zu schaffen.

Die Angriffe gegen die Linke vor 2015

Wenn diese Analyse stimmt, müssen wir untersuchen, ob die Elemente vor 2015 (Putsch gegen Präsident Hugo Chávez im Jahr 2002, der Versuch der Farben-Revolution im Jahr 2007, die Jericho-Operation im Februar 2015 und die ersten Demos der Guarimbas) auf einer anderen Logik fundierten, während diejenigen, die danach kamen (der Terrorismus der Guarimbas im Jahr 2017), diesem Plan entsprechen.

Meine Überlegung basiert auch auf meiner Kenntnis dieser Elemente.

Also, im Jahr 2002 veröffentlichte ich eine Analyse des Staatsstreichs, der die Rolle der Vereinigten Staaten hinter der Fedecámaras (venezolanische Arbeitgeber) dokumentierte [5]. Präsident Hugo Chávez wollte meine Informationen überprüfen und schickte mir zwei Emissäre nach Paris. Der eine wurde General und der zweite ist heute eine der höchsten Persönlichkeiten des Landes. Meine Arbeit wurde von dem Staatsanwalt Danilo Anderson für seine Untersuchung verwendet. Im Jahr 2004 wurde er von der CIA ermordet.

Auf die gleiche Weise begannen im Jahr 2007 die trotzkistischen Studenten eine Bewegung gegen die Nichtverlängerung der Lizenz von Radio-Fernsehen von Caracas (RCTV). Wir wissen jetzt, dank Blumenthal und Cohen, dass Juan Guaidó schon dabei beteiligt war und dass er von den Schülern des Theoretikers der Gewaltfreiheit, Gene Sharp, geschult worden war. Statt die Exzesse der Bewegung zu unterdrücken, las Präsident Hugo Chávez anlässlich der feierlichen Unterzeichnung der ALBA, am 3. Juni, zwanzig Minuten lang einen alten Artikel, den ich Gene Sharp und seiner Konzeption der Gewaltfreiheit, im Dienst der NATO und der CLA, gewidmet hatte [6]. Als die Demonstranten erkannten, dass sie einer Manipulation unterlagen, zog sich eine große Zahl von ihnen aus dem Kampf zurück. Als Sharp die Tatsachen ungeschickt leugnete, schrieb er dem Präsidenten und dann mir. Diese Initiative schuf Verwirrung unter der amerikanischen Linken, für die er eine respektable Persönlichkeit war, unabhängig von der US-Regierung. Professor Stephen Zunes übernahm seine Verteidigung, aber angesichts der Beweise, schloss Sharp sein Institut und überließ Otpor und Canvas das Feld [7].

Zurück zur Gegenwart. Natürlich erinnert der jüngste Mordanschlag auf Präsident Nicolas Maduro, wie Präsident Salvadore Allende in den Selbstmord getrieben wurde. Natürlich erinnern die vom Präsidenten der Nationalversammlung, Juan Guaidó organisierten Proteste an eine Farben-Revolution. Aber das ist überhaupt nicht widersprüchlich mit meiner Analyse. So hat ein Attentatsversuch auf Muammar Gaddafi den Militäreinsatz gegen Libyen nur kurz vorweggenommen. Während die Anhänger von Gene Sharp die ersten Demonstrationen gegen Präsident Hosni Mubarak in Ägypten leiteten, haben sie sogar dort eine Arabische Version ihrer bereits in anderen Ländern im Einsatz befindliche Broschüre verteilt. [8]. Aber, so wie die Folge der Ereignisse gezeigt hat, war es weder ein Staatsstreich noch eine Farben-Revolution.

Sich auf den Krieg vorbereiten

Wenn meine Analyse richtig ist - und für den Augenblick scheint alles darauf hinzuweisen -, muss man sich auf einen Krieg nicht nur in Venezuela, sondern im ganzen Karibik-Becken vorbereiten. Schon sind Nicaragua und Haiti destabilisiert.

Dieser Krieg wird von außen aufgezwungen werden. Er soll nicht mehr linke Regierungen zugunsten von Rechtsparteien stürzen, selbst wenn der erste Schein irreführend sein wird. Die Logik der Ereignisse wird zwischen dem einen und dem anderen keinen Unterschied machen. Allmählich wird die ganze Gesellschaft bedroht werden, unabhängig von der sozialen Klasse oder der Ideologie. Ebenso wird es den anderen Staaten in der Region unmöglich sein, sich aus dem Sturm herauszuhalten. Sogar jene, die glauben werden, selbst als eine hintere Basis für militärische Operationen zu dienen, werden teilweise zerstört werden. So spricht auch die Presse selten darüber, aber ganze Städte in der Region von Qatif, in Saudi Arabien, sind dem Erdboden gleichgemacht worden, obwohl dieses Land der wichtigste Verbündete von Washington im "Erweiterten Nahen Osten" ist.

Aufgrund der Konflikte der großen afrikanischen Seen und dem „Erweiterten Nahen Osten“ sollte dieser Krieg schrittweise erfolgen.
 Erstens: die Symbole des modernen Staates zerstören, durch Angriffe auf Hugo Chávez gewidmeten Statuen und Museen. Das fordert keine Opfer, aber bringt die mentalen Repräsentationen der Bevölkerung durcheinander.
 Dann Waffen liefern und die Kämpfer bezahlen, um Demonstrationen zu organisieren, die ausarten werden. Die Presse wird danach unüberprüfbare Erklärungen für die der Regierung zugeschriebenen Verbrechen liefern, gegen die die friedlichen Demonstranten sich aufgelehnt haben. Es ist wichtig, dass die Polizei glaubt, dass sie von der Menge beschossen wurde und dass die Menge glaubt, von der Polizei beschossen worden zu sein, denn das Ziel ist, die Spaltung herbeizuführen.
 Im dritten Schritt werden blutige Anschläge überall organisiert. Nur wenige Leute sind dafür nötig, nur mit zwei oder drei Teams, die im ganzen Land herumfahren.
 Erst dann wird es sinnvoll sein, ausländische Söldner dorthin zu senden. Während des letzten Krieges sandten die USA in den Irak und nach Syrien mindestens 130 000 Ausländer, denen sich 120 000 lokale Kämpfer angeschlossen haben. Es handelt sich um zahlreiche Armeen, obwohl sie schlecht ausgebildet und geschult waren.

Es ist möglich, sich zu verteidigen, da Syrien es geschafft hat. Mehrere Initiativen müssen dringend ergriffen werden:
 Schon jetzt, auf Initiative von General Jacinto Pérez Arcay und dem Präsidenten der konstituierenden Versammlung Diosdado Cabello, studieren hochrangige Offiziere der venezolanischen Streitkräfte die neuen Formen der Kriegsführung (der 4. Generation). Aber die Militärdelegationen müssen nach Syrien gehen, um selbst zu sehen, wie sich die Dinge abgespielt haben. Es ist sehr wichtig, weil diese Kriege nicht den vorherigen ähneln. Zum Beispiel, in Damaskus selbst, ist die Stadt praktisch intakt, so als ob nichts geschehen wäre, mehrere Bezirke sind jedoch völlig verwüstet, wie Stalingrad nach der Nazi-Invasion. Das erfordert spezielle Kampftechniken.
 Es ist wesentlich, die nationale Einigung von allen Patrioten zu etablieren. Der Präsident muss sich mit seiner innenpolitischen Opposition vereinigen und einige ihrer Führer in seine Regierung aufnehmen. Das Problem ist nicht, ob man Präsident Maduro schätzt oder nicht: es geht darum, unter seinem Befehl zu kämpfen, um das Land zu retten.
 Die Armee muss eine Volksmiliz bilden. Es gibt bereits eine solche in Venezuela mit fast 2 Millionen Mann, aber sie ist nicht ausgebildet. Aus Prinzip mag das Militär nicht gerne Zivilisten Waffen anzuvertrauen, aber allein Zivilisten können ihr Viertel verteidigen, dessen Einwohner sie alle kennen.
 Große Arbeiten müssen unternommen werden, um die staatlichen Gebäude, die Armee und die Spitäler zu sichern

All das muss in Eile vorgenommen werden. Diese Maßnahmen brauchen Zeit zur Ausführung und der Feind ist bereits fast bereit.

Übersetzung
Horst Frohlich

[1The Making of Juan Guaidó: US Regime-Change Laboratory Created Venezuela’s Coup Leader”, Max Blumenthal & Dan Cohen, Grayzone Project, January 29, 2019.

[2Transforming Military Force: The Legacy of Arthur Cebrowski and Network Centric Warfare, James R. Blaker, Greenwood, 2007.

[3The Pentagon’s New Map, Thomas P.M. Barnett, Putnam Publishing Group, 2004.

[5« Opération manquée au Venezuela », par Thierry Meyssan, Réseau Voltaire, 18 mai 2002.

[6Das Albert Einstein Institut: Gewaltfreiheit Version CIA“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Voltaire Netzwerk, 23. Dezember 2013.

[7« Impérialistes de droite et impérialistes de gauche », par Thierry Meyssan, Réseau Voltaire, 25 août 2008.