Ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Algerienkrieges erscheint im Parlament wieder die Kolonialpolitik

Das französische nationale Parlament hat am 12 Juli 2011 über die Fortsetzung des militärischen Eingriffes in Libyen verhandelt [1]. Es ging um die Anwendung einer neuen konstitutionellen Anordnung, die, nach drei Monaten auswärtiger Operationen, eine Parlamentsabstimmung vorsieht.

Die Abgeordneten beglückwünschten sich, mit gutem Recht, über den militärischen Einsatz entscheiden zu dürfen. Wenn auch diese, von Nicolas Sarkozy gewollte Reform, eine echte demokratische Verbesserung ist, bleibt man jedoch noch weit vom Ziel. Zuerst, weil diese Abstimmung erst nach 3 Monaten Krieg statt findet und dann, weil die Abgeordneten sie nicht vorbereiten wollten oder konnten. Offenbar verfügten sie weder über eine gründliche Studie, was das internationale Recht angeht (tausende Klagen von libyschen Bürgern sind bei den internationalen und europäischen Gerichten eingereicht worden), noch über Informationen über die Ereignisse vor dem Kriegsausbruch (Washington hatte den Angriff schon in 2002 geplant, Putschversuch von Seiten Frankreichs in 2010, geheimes Abkommen des Lancaster House vom 2. November 2010, …). Sie besaßen auch keine kontradiktorische Auswertung der Verbrechen, die die Tripolisregierung und die Rebellen begangen hätten (jeden Tag entdeckt man, dass die der Stadt Tripolis zugeschobenen Verbrechen nicht existieren, während man die von den Rebellen begangenen, ignoriert), noch verfügten sie über eine klare Sicht über die aktuellen militärischen Operationen (Rolle der AlQaida und von Xe-Blackwater, Wahl der Bombenziele, COS-Entfaltung am Boden (Commandement des Opérations speciales, v. Ü.), Waffenlieferungen, reeller Stand der Kämpfe…).

In einer solchen Situation wusste das Parlament nicht worüber zu diskutieren und spielte deswegen einfach die Rolle einer Registermaschine. Selbst die kommunistische und ihr nahestehende Abgeordneten-Gruppe, welche den Regierungsvorschlag zurückweisen wird, sah sich gezwungen, eine, auf allgemeine Prinzipien basierte Darstellung zu geben ohne zwingende Argumente anführen zu können. Was die Abgeordneten ohne Gruppenangehörigkeit oder Parlaments-Einzelgänger betrifft, war es ihnen untersagt, das Wort zu ergreifen, obwohl manche von ihnen die Bestinformiertesten des Parlaments waren.

Kollektive Scheinheiligkeit oder Inkompetenz?

Die Abgeordneten hätten sich über die Gründe der Verfolgung der Militäroperationen ausdrücken sollen, deren Ziel und Rechtfertigung sie niemals geprüft hatten. Die UNO-Sicherheitsrats-Resolution 1973 hat doch der Koalition der Freiwilligen ein Mandat gegeben, welchem in keiner Weise entsprochen wurde.

Es handelt sich bei dieser UNO-Resolution ausschließlich um den Schutz jeglicher Zivilisten durch eine Flugverbotszone. Diese Zone war nun niemals durchgeführt worden, da der Benghazi-Flughafen offen blieb. Speziell die NATO hat niemals versucht, die Zivilisten zu schützen, da sie, im Gegenteil, die Kriegsverbrechen der AlQaida in der Cyrenaika deckte.

An ihrer Stelle hat die NATO die wichtigsten Militärstützpunkte Libyens und die Infrastrukturen, die nicht mit Erdöl zu tun haben, zerstört (die Letzteren sind intakt geblieben um sie später plündern zu können). Sie hat eine gezielte Ermordungspolitik der Familien der libyschen Führungskräfte unternommen und eine persönliche Verfolgung von Muammar Kadhafi eingeleitet. Außerdem hat die NATO das dem Land auferlegte Waffen-Embargo gebrochen und eine illegale Seeblockade organisiert, um das Gebiet um Tripolis auszuhungern.

Wie es verschiedene Sprecher nach dem Premierminister wiederholt haben, ist die Resolution 1973 die erste Ausführung des Prinzips der „Verantwortung zu beschützen“, das von den Vereinten Nationen am Weltgipfel September 2005 adoptiert wurde. Dieses Prinzip schließt nun jeglichen Eingriff aus, dessen Objektiv ein „Regimewechsel“ wäre.

Christian Jacob erfreute sich der Eroberung der Cyrenaika und der Instandsetzung einer Marionettenregierung. Er erklärte: „Unser Land war das erste, das den Nationalen Übergangsrat (CNT) anerkannt hat und ich möchte hier die Weitsichtigkeit unseres Präsidenten würdigen. Die französische Flagge weht über der Cyrenaika und dies ist Grund für unseren riesigen Stolz“. (sic)

Die Abgeordneten wurden daher in Wirklichkeit einfach aufgefordert, die NATO-Aggression, die die Resolution 1973 verletzt, zu billigen. 482 der 516 Abgeordneten haben, ohne mit der Wimper zu zucken, ihre Hand mit dem Blut der Libyer befleckt, oft ohne zu verstehen, dass man sie bat, Präsident Sarkozy zu decken.

Frankreich muss wie die anderen Staaten der Koalition, die das Rom-Abkommen unterzeichnet haben, tatsächlich bald für sein Vorgehen einstehen. Fast alle NATO- Aktivitäten in Libyen verstoßen gegen das internationale Recht. Auch die Bombardierung der libyschen Armeevorrichtungen, die einen Angriffskrieg darstellt und gegen die Resolution 1973 verstößt, sowie es schon zahlreiche politische Verantwortliche der Welt, wie Vladimir Poutine und Hugo Chavez zuerst bemerkt haben.

Nur die kommunistischen Abgeordneten und einige, vom ehemaligen Parlamentspräsidenten, Henri Emmanuelli angeführten Sozialisten, haben gegen das Verbrechen Widerstand geleistet.

Geständnis

Es folgt daraus, dass die Sprecher der Parlamentsmehrheit eine Unbesonnenheit begangen haben, die vor dem Internationalen Strafgerichtshof schwere Konsequenzen mit sich bringen könnte, da sie das wahre Motiv ihrer Entschlossenheit aufdeckt.

So hat Philippe Folliot (Präsident der Gruppe « Nouveau Centre ») die Regierung aufgefordert, sofort die Interessen der französischen Unternehmen zu verteidigen, um Wiederaufbauverträge von den, am Ende des Krieges ans Ruder gebrachten Autoritäten, zu bekommen.

Die Spitze des Schwachsinns gehört Christian Jacob (Präsident der Gruppe UMP), der sich laut gratulierte, die französische Flagge in Benghazi flattern zu sehen. Ein Ausdruck der keinen Zweifel hinterlässt, dass er die Harmattan-Operation als Eroberungsfeldzug betrachtet.

Übersetzung
Horst Frohlich