Alles hat ein Ende, die Imperien auch, das der Vereinigten Staaten wie das der Sowjetunion. Washington hat in unverschämter Weise eine kleine Kamarilla von Ultramilliardären bevorzugt. Jetzt muss es sich seinen alten Dämonen stellen, sich auf die Abspaltungen und den Bürgerkrieg vorbereiten.
Jede der beiden Seiten, die in den USA gegeneinander antreten, die Jacksonianer und die Neopuritaner, möchte der anderen Seite ein Ende setzen. Die ersten sprechen von Aufständen, während die letzten Repression wollen, aber alle bereiten sich auf die Konfrontation vor. So sehr, dass zwei Drittel der Bürger sich auf den Bürgerkrieg vorbereiten.
Der jacksonische Standpunkt
Die Jacksonier führen ihren Namen auf Präsident Andrew Jackson zurück, der vor dem Sezessionskrieg gegen die Gründung der Federal Reserve (unabhängige Zentralbank) war. Sie verschwanden ein Jahrhundert lang aus dem politischen Leben, bis einer von ihnen, Donald Trump, ins Weiße Haus gewählt wurde. Vor allem wenden sie sich gegen die inzestuösen Verbindungen der Privatbanken und der US-Zentralbank, der Herausgeberin des Dollars.
In vielen US-Bundesstaaten wurden die für die Auszählung der Präsidentschaftswahlen vom 3. November 2020 zuständigen Beamten angewiesen, die Beobachter auszuweisen und die Fenster ihrer Büros zu bedecken. Damit haben sie das Wahlresultat - wie es auch immer ausgehen sollte - jeglicher demokratischen Legitimität beraubt.
Das Problem ist nicht, wer gewählt wurde, sondern was nun zu tun ist, nachdem der nationale Pakt gebrochen wurde.
Laut der zweiten Änderung der US-Verfassung haben die Bürger die Pflicht, sich zu bewaffnen und sich als Milizen zu organisieren, um die Freiheit ihres Staates zu verteidigen, wenn sie bedroht ist.
Diese Änderung ist ein Teil der "Bill of Rights", deren Annahme die nicht verhandelbare Voraussetzung dafür war, dass die Bürger, die für die Unabhängigkeit gekämpft hatten, die vom Konvent von Philadelphia geschriebene Verfassung akzeptierten. Die Bill of Rights beinhaltet, dass jeder Bürger Kriegswaffen besitzen kann, ganz egal welcher Art, was auch die wiederholten Massaker ermöglicht hat, die die US-amerikanische Gesellschaft heimgesucht haben. Doch trotz des menschlichen Preises dieser Verbrechen, wurde sie immer beibehalten, wegen ihrer entscheidenden Bedeutung für das Gleichgewicht des US-politischen Systems.
Genauer gesagt sind 39% der US-Bürger der Meinung, dass der Einsatz von Waffen gegen korrupte Behörden keine Option sei, sondern eine Pflicht. Für 17% der Bürger ist die Zeit zu handeln gekommen [1].
Bewaffnete Gruppen bereiten sich darauf vor, in jedem Bundesstaat anlässlich der Amtseinführung von Joe Biden in Washington am 20. Januar 2021 zu demonstrieren. Das FBI befürchtet schwere Ausschreitungen in 17 von ihnen.
Man kann diese Tatsachen nach allen Richtungen betrachten und den extrem unterschiedlichen Aufständischen vorwerfen, sie seien alle "Verschwörungstheoretiker" oder "Neonazis" oder beides zugleich. Dennoch ist ihre Revolte die einzige legitime Haltung im Hinblick auf die Geschichte und das Recht der Vereinigten Staaten.
Man kann diese Revolte mit der seltsamen und kurzlebigen Übernahme des Kapitols vom 6. Januar in Verbindung bringen. Dennoch sind die beiden Ereignisse nicht miteinander verbunden. Es geht absolut nicht darum, die Legislative zu stürzen, sondern die gesamte politische Klasse zu neutralisieren und neue, diesmal transparente Wahlen zu organisieren.
Die Bürger, die gegen den "Diebstahl des Wahlsystems" protestieren, sind hauptsächlich Wähler von Donald Trump, aber nicht ausschliesslich. Es handelt sich nicht um Vorwürfe der Donald Trump-Anhänger, weil er für geschlagen erklärt wurde, sondern um ein grundsätzliches Problem der notwendigen Transparenz in der Demokratie.
Die Undurchsichtigkeit der Auszählung der Präsidentschaftswahlen hat die Leidenschaften entfesselt, die bereits seit der Finanzkrise 2007-10 in Aufruhr waren. Die Mehrheit der Bevölkerung stimmte dem von Präsident Barack Obama vorgeschlagenen Bankenrettungspaket in Höhe von 787 Milliarden Dollar nicht zu (zusätzlich zu den 422 Milliarden Dollar, die George W. Bush für den Rückkauf der toxischen Kredite verlangt hatte). Damals erklärten Millionen Bürger, sie seien "bereits genug besteuert" (Taxed Enough Already), und gründeten die TEA Party, in Anspielung auf die Boston Tea Party, die den Unabhängigkeitskrieg auslöste. Diese Bewegung gegen hohe Steuern, die ausschließlich auf die Rettung von Ultra-Milliardären abzielte, entwickelte sich sowohl rechts als auch links, wie die Kampagnen von Gouverneurin Sarah Palin (Republikaner) und Senator Bernie Sanders (Demokraten) zeigen.
Die massive Deklassierung der Kleinbürger, die auf die Folgen von Standortverlagerungen zurückzuführen ist, führt nun dazu, dass 79% der US-Bürger sagen, dass "Amerika zusammenbricht". Ein Anteil von hoffnungslosen Menschen, ohne Vergleich mit Europa, mit Ausnahme der französischen "Gelbwesten".
Es ist natürlich sehr unwahrscheinlich, dass, wenn am 20. Januar Unruhen ausbrechen, sie zu einer Revolution werden. Aber diese Bewegung hat sich seit den letzten zehn Jahren in der Bevölkerung etabliert. Sie hat genügend Anhänger im gesamten politischen Spektrum, um in den Kampf zu ziehen und zu überdauern.
Der neopuritanische Standpunkt
Im Gegensatz zu den Jacksoniern sind die Gruppen, die sich gegen den immer noch amtierenden Präsidenten Donald Trump auflehnen, ihres Rechtes ebenso sicher. Wie der Lordprotector Oliver Cromwell, berufen sie sich auf eine Moral, die dem Gesetz überlegen ist. Aber im Gegensatz zum englischen Republikaner benutzen sie keine religiösen Referenzen. Sie sind Calvinisten ohne Gott.
Sie wollen eine Nation für alle schaffen, nicht mit ihren Gegnern, sondern indem sie alle ausschließen, die nicht wie sie denken. Deshalb freuen sie sich über die Entscheidungen von Twitter, Facebook, Instagram, Snapchat und Twitch, diejenigen zu zensieren, die die Ordnungsmäßigkeit der Wahl in Frage stellen. Für sie ist es nicht wichtig, dass diese multinationalen Konzerne sich eine politische Macht anmaßen, die gegen den Geist der Ersten Verfassungsänderung verstößt, da sie die gleiche Auffassung von Reinheit teilen: Das Recht auf freie Meinungsäußerung gilt weder für Ketzer noch für Trumpisten.
Von ihrem Eifer überwältigt, schreiben sie wieder eine neue Geschichte dieser Nation, "Licht auf dem Hügel", das gekommen ist, um die Welt zu erleuchten. Sie lassen jedes Klassenbewusstsein verschwinden und verherrlichen alle Minderheiten nicht für das, was sie tun, sondern weil sie in der Minderheit sind. Sie säubern die Universitäten, praktizieren die inklusive Schreibweise, sakralisieren die wilde Natur, unterscheiden die Informationen von den Fakenews und stürzen Statuen großer Männer. Heute versuchen sie, Präsident Trump zu entmachten, nicht weil er die Eroberung des Kapitols organisiert hätte, sondern weil er der Vorkämpfer derjenigen ist, die es eingenommen haben. Keiner dieser Ketzer darf einen Platz in der Sonne haben.
Im 17. Jahrhundert praktizierten die Puritaner öffentliche Bekenntnisse, um das ewige Leben zu erlangen. Im 21. Jahrhundert kämpfen ihre Nachfolger, die Neo-Puritaner, immer wieder für das "weiße Privileg", von dem sie glauben, es genossen zu haben, um zur Unsterblichkeit zu gelangen. Ultra-Milliardäre wie Jeff Bezos, Bill Gates, Arthur Levinson, Sundar Pichai, Sheryl Sandberg, Eric Schmidt, John W. Thompson oder Mark Zuckerberg fördern eine neue Ideologie, die die Überlegenheit des digitalen Menschen über den Rest der Menschheit stellt. Sie hoffen, Krankheiten und den Tod zu besiegen.
Es ist schon lange her, dass diese sehr rationalen Leute den Verstand so weit aufgegeben haben, dass es laut zwei Dritteln der US-Staatsbürger unmöglich ist, sich mit ihnen auf grundlegende Tatsachen zu einigen. Ich schreibe hier über die Neopuritaner, nicht über die Trumpisten.
Ihr Fanatismus verursachte bereits den englischen Bürgerkrieg, dann den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und den Sezessionskrieg. Die erste Angst von Präsident Richard Nixon war, dass der Fanatismus einen vierten Krieg eröffnet, der die USA zerreißen würde. Das ist genau da, wo wir stehen.
Ein Teil der Macht ist bereits von demokratischen Institutionen in die Hände einiger Ultra-Milliardäre gewandert. Die Vereinigten Staaten, die wir kannten, existieren nicht mehr. Ihr Siechen hat begonnen.
[1] Ipsos Poll: Game changers, January 13, 2021.
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