Alle Imperien sind sterblich. So auch das "amerikanische Imperium".
Gemälde von Alexandre Granger

Die amerikanischen "Straussianer", die ukrainischen "integralen Nationalisten", die israelischen "revisionistischen Zionisten" und die japanischen "Militaristen" rufen zu einem allgemeinen Krieg auf. Sie sind ziemlich einsam und sie sind keine Massenbewegungen. Kein Staat beschreitet derzeit diesen Weg.

Deutschland mit 100 Milliarden Euro und Polen mit viel weniger Geld rüsten wieder massiv auf. Aber keiner von beiden scheint erpicht darauf zu sein, sich mit Russland zu messen.

Australien und Japan investieren ebenfalls in Rüstung, aber keiner von beiden hat eine eigenständige Armee.

Die Vereinigten Staaten sind nicht mehr in der Lage, ihre Truppenstärke zu erneuern und sind nicht mehr fähig, neue Waffen zu entwickeln. Sie begnügen sich damit, jene der 80er Jahre auf dem Laufband wieder herzustellen. Sie unterhalten jedoch die Atomwaffen.

Russland hat seine Armeen bereits modernisiert und organisiert sich, um die Munition, die es in der Ukraine verwendet, zu erneuern und seine neuen Waffen, mit denen niemand mithalten kann, in Serie zu produzieren. China rüstet unterdessen auf, um den Fernen Osten zu kontrollieren und um am Ende seine Handelswege zu schützen. Indien versteht sich als Seemacht.

Es ist daher nicht klar, wer einen Weltkrieg sowohl wollen als auch beginnen könnte.

Im Gegensatz zu ihren Reden bereiten sich die französischen Führungskräfte überhaupt nicht auf einen Krieg hoher Intensität vor [1]. Das auf zehn Jahre angelegte Gesetz für die militärische Planung sieht den Bau eines atomgetriebenen Flugzeugträgers vor, reduziert aber das Heer. Es geht darum, sich Projektionsmöglichkeiten zu verschaffen, aber nicht darum, das Territorium zu verteidigen. Paris denkt weiterhin wie eine Kolonialmacht, während die Welt multipolar wird. Das ist ein Klassiker: Die Generäle bereiten sich auf den vorherigen Krieg vor und ignorieren die Realität von morgen.

Die Europäische Union setzt ihren "Strategischen Kompass" um. Die Kommission koordiniert die militärischen Investitionen ihrer Mitgliedstaaten. In der Praxis spielen sie alle das Spiel, verfolgen aber unterschiedliche Ziele. Die Kommission versucht ihrerseits die Kontrolle über die Finanzierungsentscheidungen der Streitkräfte zu übernehmen, die bisher von den nationalen Parlamenten abhängig waren. Dies würde ermöglichen ein Imperium aufzubauen, aber nicht einen allgemeinen Krieg zu erklären.

Offensichtlich spielen alle ein Spiel, aber niemand, abgesehen von Russland und China, bereitet sich auf einen Krieg mit hoher Intensität vor. Vielmehr erleben wir eine Neuordnung der Karten. In diesem Monat schickt Washington Liz Rosenberg und Brian Nelson nach Europa, zwei Spezialisten für einseitige Zwangsmaßnahmen [2], mit dem Auftrag, die Alliierten zum Gehorsam zu zwingen. Laut dem berühmten Satz des ehemaligen Präsidenten George Bush Jr. während des Krieges "gegen den Terror": "Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns!"

Liz Rosenberg ist wirksam und skrupellos. Sie war es, die die syrische Wirtschaft in die Knie zwang und Millionen Menschen zum Elend verurteilte, weil sie wagten, Widerstand zu leisten und die Hilfstruppen des Imperiums zu besiegen.

Der Hollywood-Western-Diskurs à la George Bush Jr., der von den Guten und Bösen, scheiterte an der Türkei, die bereits den Putschversuch von 2016 und das Erdbeben von 2023 mitgemacht hat. Ankara weiß, dass nichts Gutes von Washington zu erwarten ist und wendet sich bereits an die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit. Dennoch sollte dieselbe Rede bei Europäern, die nach wie vor von der Macht der Vereinigten Staaten fasziniert sind, erfolgreich sein. Natürlich ist diese US-Macht im Niedergang begriffen, aber die Europäer auch. Niemand hat daher aus der Sabotage der russisch-deutsch-französisch-niederländischen Gaspipeline North Stream gelernt. Die Opfer haben nicht nur stillschweigend den Schlag hingenommen, sondern sie sind auch bereit, weitere Strafen für Verbrechen hinzunehmen, die sie nicht begangen haben.

Die Welt sollte sich daher in zwei Blöcke teilen, auf der einen Seite die US-Hypermacht und ihre Vasallen, auf der anderen Seite die multipolare Welt. Was die Anzahl der Staaten betrifft, sollte dies die Hälfte sein, aber in Bezug auf die Bevölkerung nur 13% für den westlichen Block gegenüber 87% für die multipolare Welt.

Internationale Institutionen können schon nicht mehr funktionieren. Sie sollten entweder in Lethargie verfallen oder aufgelöst werden. Die ersten Beispiele, die mir in den Sinn kommen, sind der faktische Austritt Russlands aus dem Europarat und die leeren Sitze der Westeuropäer im Arktischen Rat während des Jahres des russischen Vorsitzes. Andere Institutionen haben nicht mehr allzu viel Daseinsberechtigung, wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die den Ost-West-Dialog organisieren sollte. Nur die feste Bindung Russlands und Chinas zu den Vereinten Nationen sollten sie kurzfristig bewahren, da die Vereinigten Staaten bereits daran denken, die Organisation in eine Struktur umzuwandeln, die ausschließlich den alliierten Nationen vorbehalten ist.

Auch der westliche Block sollte sich neu organisieren. Bisher wurde der europäische Kontinent wirtschaftlich von Deutschland beherrscht. Um sicher zu sein, dass Deutschland sich Russland niemals annähern wird, wollen die Vereinigten Staaten, dass sich Berlin mit dem Westen des Kontinents begnügt und das Zentrum Warschau überlässt. Deutschland und Polen rüsten daher auf, um sich in ihren jeweiligen Einflusszonen durchzusetzen, aber wenn dann der US-Stern verblasst, werden sie gegeneinander kämpfen.

Nach seinem Fall hat das sowjetische Imperium seine Verbündeten und Vasallen im Stich gelassen. Nachdem die UdSSR ihre Unfähigkeit, Probleme zu lösen, eingesehen hatte, hörte sie zunächst auf, Kuba wirtschaftlich zu unterstützen, ließ dann ihre Vasallen des Warschauer Paktes im Stich und brach schließlich in sich zusammen. Derselbe Prozess beginnt heute.

Der erste Golfkrieg der USA, die Anschläge vom 11. September, ihre unzähligen Kriege im Nahen und Mittleren Osten, die Erweiterung der NATO und der Ukraine-Konflikt werden dem amerikanischen Imperium nur drei Jahrzehnte Überleben gegeben haben. Es war der Gegenpart des ehemaligen sowjetischen Rivalen. Es hat mit seiner Auflösung die Daseinsberechtigung verloren. Es ist an der Zeit, dass es auch verschwindet.

Übersetzung
Horst Frohlich
Korrekturlesen : Werner Leuthäusser

[1«En 2030, l’armée française ne sera pas prête à une guerre de haute intensité», Jean-Dominique Merchet, L’Opinion, 7 avril 2023.

[2«US sanction officials plan missions to clamp down on Russia», Fatima Hussein, Associated Press, April 7, 2023.