Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch Sous nos yeux.
Siehe hier die Inhaltsangabe.

François Hollande und Emmanuel Macron hatten bei ihrem Amtsantritt als Präsident der Republik keine Erfahrung in Außenpolitik. Das war für sie unwichtig. Da sie nichts von ihrer Verantwortung wussten, hielten Sie sich einfach an den Rat ihrer Umgebung und wurden in Verbrechen gegen die Menschlichkeit verwickelt.

Das Eingreifen Russlands

Die Regierung von François Hollande war erstaunt, als sie im September 2015 von dem russischen Militäreinsatz erfuhr. Der Präsident hatte nie daran gedacht, obwohl Russland und Syrien ihn seit drei Jahren vorbereiteten. Noch überraschter wird er dann im August 2016 sein, als Russland einen anderen Stützpunkt errichten wird, diesmal im Iran. Aber auch dieser wurde seit einem Jahr in Abstimmung geplant.

Die russische Armee präsentiert viele neue Waffen und nutzt das Schlachtfeld, um ihre Verteidigungsindustrie zu fördern. Innerhalb weniger Monate zerstört sie nacheinander alle Bunker und Befestigungsanlagen, die Lafarge und die NATO gebaut haben. Aber Paris versteht nicht sofort, was vor sich geht, zumal Washington sich auch nicht beeilt, Frankreich zu informieren. Russland hat in Latakia ein System installiert, das die Kontrollen und Befehle der NATO lahm legt [1]. Die Allianz wird dadurch im Umkreis von 300 Kilometern taub und blind gemacht. Wenn ihre Flugzeuge das Gebiet durchqueren, sind sie auch nicht mehr in der Lage, ihre Waffen zu bedienen [2]. Damit die internationalen Akteure die Wirksamkeit dieser neuartigen Waffe einsehen können, führt Russland Tests durch, die bis in den libanesischen und zyprischen Raum reichen (einschließlich des großen britischen Militärstützpunktes) [3] und dann im irakischen Luftraum.

Das gleiche System wird auf der Krim und in Kaliningrad eingesetzt. Tatsächlich ist Russland, wie der oberste NATO-Kommandeur zugegeben hat, die erste konventionelle Militärmacht vor den USA geworden. Egal, Paris zieht sich auf das Projekt von Juppé/Davutoglu zurück und beteiligt sich gleichzeitig an der internationalen [US] Koalition gegen Daesch. Diese veröffentlicht triumphale Kommuniqués über ihre Bombardierungen gegen die Dschihadisten. Dennoch bezeugen viele Zeugen vor Ort, dass sie Daesch nicht bekämpft, sondern Waffen- und Munition abwirft, während die Arabische Republik Syrien der UNO, im Hinblick auf spätere Reparaturen, die Listen der Öl- und Gasanlagen übermittelt, die die Koalition zerstört.

Da die russische Wirtschaft im Zuge des Ukraine-Konflikts stark unter den EU-Sanktionen gelitten hat, kann Moskau seine Bombardierungskampagne nicht auf unbestimmte Zeit fortsetzen. Obwohl sie am 6. Januar (dem Datum des orthodoxen Weihnachtsfestes) hätte enden sollen, dauert sie bis Mitte März an.

Die französische Führung denkt nur noch an ihre Interessen, und glaubt, dass die Russen nur nach Syrien gekommen sind, um die Dschihadisten zu bekämpfen und ihre Einflusszone zu erweitern. Sie interpretiert die religiösen Symbole, die Moskau benutzt, als Kunstgriffe der inneren Kommunikation. Es kommt ihr nie in den Sinn, dass etwas anderes eine große Nation wie Russland bewegen könnte.

Die antike "Seidenstraße" führte vom Iran über den Irak und ging über Palmyra bis zur syrischen [Mittelmeer]-Küste. Es ist dort geografisch unmöglich, andere große Verkehrswege durch die Wüste zu öffnen. Infolgedessen ist die Stadt zu einem zentralen Punkt des Krieges in Syrien geworden. Nachdem sie ein Jahr lang von Daesch besetzt war, wurde die Stadt von der syrischen Arabischen Armee befreit. Sie veranstaltete zwei Konzerte, die in Syrien und Russland per Fernsehen übertragen wurden, um den Sieg der Zivilisation über den Terrorismus (... und ihre Sponsoren) zu feiern.

Der Kampf Syriens und Russlands um die Zivilisation wird am 5. und 6. Mai 2016 (Feste der syrischen Armee und des alliierten Sieges gegen den Nationalsozialismus) mit Konzerten im befreiten Palmyra gefeiert. Die Präsidenten Wladimir Putin und Baschar al-Assad erscheinen beide auf einer riesigen Leinwand und halten Ansprachen, während symphonische Orchester inmitten der antiken Ruinen spielen. Die "Wüstenstadt" verkörpert den antiken Widerstand der Levante-Völker gegen den römischen Imperialismus. Sie ist auch einer der strategischsten Orte des Krieges: Sie wurde von Daesch besetzt.

Vor dem Abzug seiner Bomber unterzeichnet Moskau eine Vereinbarung mit dem US-Außenministerium. Die Vereinigten Staaten schwören, aufrichtig zu sein und behaupten, nicht zu wissen, was Jeffrey Feltman von den Vereinten Nationen aus mit Daesch unternimmt. John Kerry und Sergej Lawrow beschließen daher, die Genfer Verhandlungen wieder in die Hand zu nehmen. Sie kommen überein, für beide Seiten - unter Ausschluss der "Terroristen" - einen Waffenstillstand zu verhängen, der belagerten Bevölkerung humanitäre Hilfe zu leisten und selbst die nächste syrische Regierung zu bilden; gute Vorsätze, die nicht lange andauern.

Macron, der Unentschlossene

Im Mai 2017 wählten die von den katastrophalen Mandaten von Nicolas Sarkozy und François Hollande erschütterten Franzosen einen Unbekannten, Emmanuel Macron, zum Präsidenten. Ein hoher Beamter des Schatzamtes, nachdem er einen bemerkenswerten Umweg über die Rothschild Bank gemacht hat, ein "Mandarin", ohne politische Partei, der aber die 300 Mitglieder der Generalinspektion der Finanzen vertritt. Als solcher weiß er jedoch nichts von internationaler Politik. Er verlässt sich also auf einige Berater, von denen manche ohne Scham in ihrem Büro im Elysée-Palast mit dem Befähigungsnachweis prahlen, den ihnen eine ausländische Behörde, das US-Außenministerium, ausgestellt hat.

Er kam aus dem Nichts - er war von seinem Amt im Elysée-Palast zurückgetreten und wollte Professor an der London School of Economics und an der Universität Berlin werden - und wurde plötzlich zum Wirtschaftsminister ernannt und genießt starke Unterstützung für seinen Wahlkampf. Er scheint vor allem von der Hilfe seiner Freunde Henry und Marie-Josée Kravis profitiert zu haben, den Referenzaktionären eines der größten Investmentfonds der Welt, dem KKR [4].

Der ehemalige CIA-Chef, General David Petraeus, stellt sich in den Dienst des Ultra-Milliardärs Henry Kravis..

Präsident Macron möchte gute Beziehungen zu Allen. Er beginnt also sein Mandat mit einigen Worten, die die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Damaskus befürworten, und entsendet Abgesandte nach Syrien. Zu seiner Überraschung werden sie nicht von Präsident Al-Assad empfangen. Dieser lässt sie wissen, dass er erst dann eine französische Botschaft akzeptieren wird, wenn Paris seine militärische Unterstützung für die Dschihadisten eingestellt hat. Emmanuel Macron entdeckte dann das Ausmaß des geheimen Engagements Frankreichs in diesem Krieg.

Der in Washington ausgebildete Botschafter Michel Duclos ist einer der wichtigsten Überträger der westlichen Kriegstreiberei in die französische Diplomatie.

Letztendlich, nachdem er "zur gleichen Zeit" pro- und anti-syrische Äußerungen gemacht hat, macht er eine dritte Sache. Auf Anrate von Michel Duclos überlässt er die syrische Angelegenheit seinem Außenminister Jean-Yves Le Drian. Als dieser noch Verteidigungsminister von François Hollande war, drängte er mehr als jeder andere zur Zerstörung des syrischen Staates. Michel Duclos ist ein Neokonservativer, Sonderberater der Fondation Montaigne und des Atlantic Council. Er war Botschafter in Damaskus, wo er sich mit großen sunnitischen Bourgeois, die heimlich Mitglieder der Bruderschaft der Muslimbrüder waren, anfreundete.

Macron wird sich nur versehentlich wieder für Syrien interessieren, über die libanesische Akte. Nacheinander führten dort Volksdemonstrationen gegen die politische Klasse (Oktober 2019), eine Bankenkrise (November 2019), eine Gesundheitskrise (Juli 2020), eine Explosion im Hafen von Beirut (August 2020) zu einem plötzlichen Verschwinden der libanesischen Mittelschicht und einem allgemeinen Rückgang des Lebensstandards von ungefähr 200%
 [5].

Explosion einer neuen Waffe in Syrien. Sie verursacht einen taktischen Atompilz.

Doppelte Explosion im Hafen von Beirut. Eine von ihnen verursacht einen taktischen Atompilz.

Präsident Macron reist nach der Explosion im Hafen zweimal nach Beirut. Beim ersten Mal wurde er mit einer Petition empfangen, die von der DGSE [franz. Äußerer Geheimdienst] heimlich inszeniert wurde und in der die Wiedereinsetzung des französischen "Mandats" für das Land gefordert wird. Das zweite Mal feiert er den 100. Jahrestag der Proklamation des Großlibanon durch General Henri Gouraud, Führer der französischen Kolonialpartei [6].

Der Bitte von Präsident Michel Aun, die Satellitenfotos der Explosion im Hafen zu enthüllen, wird er nie folgen. Der Katastrophe war der Flug über Beirut durch zwei nicht identifizierte Jagdbomber vorausgegangen. Die Explosion verursachte einen "Atompilz". Drei Botschaften hatten sofort Lüftungsfilter aus den Fahrzeugen vor Ort entnommen und sie in ihren jeweiligen Ländern analysiert. Heute sind sie, wie auch die libanesische Armee, davon überzeugt, dass die Explosion auf eine taktische Atomrakete zurückzuführen ist. Dennoch verfolgen die Ermittlungen der Justiz weiterhin falsche Spuren, genau wie bei der Ermordung von Rafik Hariri.

Letztlich kollidieren die französischen Ansprüche, den Libanon, in Ermangelung Syriens, wieder zu kolonisieren, zunächst mit dem Plan der Teilung des Libanon [7] und von Israel [8], und dann mit dem zwischen den Präsidenten Biden und Putin erzielten Abkommen [9].

Vorläufige Bilanz

Es ist ein Fehler, anlässlich des "Arabischen Frühlings" über französische Politik zu sprechen. Erstens, weil Paris nicht verstanden hat, wer die Ereignisse auslöste, noch warum er dies tat, und zweitens, weil die aufeinanderfolgenden französischen Regierungen zu keinem Zeitpunkt versucht haben, die Interessen ihres Landes zu verteidigen. Allenfalls kann man das unberechenbare Verhalten Frankreichs auf der Suche nach guten Gelegenheiten sehen, damit seine Führer leichtes Geld verdienen.

Bei diesem Thema, wie jetzt bei vielen anderen, macht die Unterscheidung zwischen rechter und linker Politik keinen Sinn. Nicolas Sarkozy, Alain Juppé, François Hollande und Laurent Fabius führten die gleiche "Privatisierung" der nationalen Politik durch, auch wenn Präsident Sarkozy flexibler war und aufhörte, Syrien anzugreifen, als er erkannte, dass ein Sieg unmöglich war. Dagegen gibt es in fast jeder politischen Formation eine kolonialistische /antiimperialistische Spaltung und einige Männer, die versucht haben, die Ehre des Landes zu retten.

François Georges-Picot (1870-1951) zeichnete mit seinen Kollegen in Whitehall die Karte des heutigen Nahen Ostens. Als Vorkämpfer der Kolonialpartei ist er der Großonkel von Präsident Valéry Giscard d’Estaing (1926-2020).

Der Hintergrund der Widersprüche der französischen Außenpolitik wurde vom ehemaligen Präsidenten Valéry Giscard d ’Estaing in Le Parisien vom 27. September 2015 [10] ausgedrückt. Dieser rechtsstehende Mann unterstützt seinen linken Nachfolger [F. Mitterand] und erklärt: "Ich frage mich, ob es möglich ist, ein Fünfjahresmandat der Vereinten Nationen für Syrien zu schaffen"; eine elegante Formel zur Wiedereinführung des von Frankreich mit Zustimmung des Völkerbundes von 1920 bis 1946 ausgeübten Mandats. Das Mandat war ein politisch korrekter Ausdruck für die Kolonisierung Syriens, wie sie während des Ersten Weltkriegs von Sir Mark Sykes, François Georges-Picot und Sergej Sazonov, die jeweils das Vereinigte Königreich, Frankreich bzw. das Zarenreich repräsentierten, geplant wurde (das "Sykes-Picot-Abkommen"). Aber, und das ist kein Zufall, Valéry Giscard d’Estaing ist der entfernte Cousin von François Georges-Picot.

Sollte es für sie ein Nürnberger Gericht geben, müssten sich die Mitglieder der Sarkozy-Regierung für die Privatisierung der nationalen Politik und für die 160 000 Toten der Operation in Libyen verantworten (eine vom Internationalen Roten Kreuz aufgestellte Zahl). Natürlich würden sie diese Verantwortung mit anderen Teilen teilen, vor allem mit den US-Amerikanern, den Briten, Katarern und Türken. Sie würden jedoch aufgrund ihrer Wende im Februar 2012 und ihres Friedensabkommens mit der Arabischen Republik Syrien wegen ihrer Verbrechen in Syrien von der Freisprache profitieren. Die Regierung von François Hollande und ihre Komplizen sollten für die 300 000 syrischen Toten (die vom Generalsekretär der Vereinten Nationen festgelegt wurden) und die 200 bis 300.000 Dschihadisten, die sie unterstützt haben und die ebenfalls getötet wurden, zur Verantwortung gezogen werden (Einschätzung der syrischen und irakischen arabischen Armee).

Frankreich und seine Verbündeten sollten für die Ereignisse, die sie ausgelöst haben, verantwortlich gemacht werden. Die Frage, ob das französische Volk sich der in seinem Namen begangenen Verbrechen bewusst war oder nicht, soll nicht in Betracht gezogen werden: in einer Demokratie teilt jeder Bürger, der kein Wort sagt, die Verantwortung, die von den von ihm gewählten Führern ausgeübt wird.

Die Franzosen und ihre Verbündeten sollten die Zerstörung von zwei Dritteln Syriens (laut Weltbank mindestens 300 Milliarden Dollar) zurückzahlen, einschließlich fast aller Öl- und Gasinfrastrukturen sowie eines Großteils der antiken Denkmäler.

(Fortsetzung folgt…)

Übersetzung
Horst Frohlich

Dieses Buch ist in gedruckter Form in Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch und Spanisch erhältlich. Es ist auch elektronisch in türkischer Sprache verfügbar.

[1Was machte dem USS Donald Cook im Schwarzen Meer so Angst?“, Übersetzung Horst Frohlich, 22. September 2014. „Russland stört die Steuerung des Flugzeugträgers Ronald Reagan und der 7. Flotte“, Übersetzung Sabine, Voltaire Netzwerk, 5. November 2015.

[2Top NATO general : Russians starting to build air defense bubble over Syria”, Thomas Gibbons-Neff, The Washington Post, September 29, 2015.

[4„Wessen Schuldner ist Emmanuel Macron?“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Korrekturlesen : Werner Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 11. Dezember 2018.

[5Wer zerstört den Libanon und warum?“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Korrekturlesen: Werner Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 22. Dezember 2020.

[6„Präsident Macrons schlechtes Theaterstück im Libanon“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Korrekturlesen : Werner Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 29. September 2020.

[7Auf dem Weg zu einer Teilung des Libanon?“, Übersetzung Horst Frohlich, Voltaire Netzwerk, 9. Oktober 2020.

[8Hat der "Bürgerkrieg" in Israel wirklich gerade begonnen?“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Korrekturlesen : Werner Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 18. Mai 2021.

[9Auf dem Weg zu einem neutralen Libanon unter USA-Russland-Vormundschaft und syrischer Verwaltung“, Übersetzung Horst Frohlich, Voltaire Netzwerk, 1. Juli 2021.

[10« Il faut envoyer l’ONU pour pacifier la Syrie », entretien avec Henri Vernet et Jannick Alimi, Le Parisien, 27 septembre 2015.